Matador

Matador

(„Matador“, directed by Pedro Almodóvar, 1986)

Pedro Almodóvar Edition No 4. : DolorAnmerkung: Der Film „Matador“ wird hier als Teil der von Universum Film herausgegebenen „Pedro Almodóvar Box Nr. 4: Dolor/Schmerz“ besprochen, die kürzlich mit den zwei anderen Filmen Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande und Zerrissene Umarmungen veröffentlicht wurde.

„Wir sind dazu verurteilt, zusammen zu sein. Niemand kann das verhindern. Nicht mal wir.“

Die Spanier haben eine besondere Beziehung zum Stierkampf. Scheinbar alle vergöttern ihn. Laut Regisseur Pedro Almodóvar ist er vielen wichtiger als Religion – doch Almodóvar selbst hat nicht viel Anderes als Spott für diesen Sport übrig. In seinem fünften Kinofilm mit dem markanten Titel „Matador“ ist der Stierkampf allgegenwärtig. Antonio Banderas spielt Angél, einen jungen Mann, der bei dem legendären Stierkämpfer Diego (Nacho Martinez) Unterricht nimmt. Seine Mutter weiß von dieser Aktivität nichts, denn sie vermutet ihren Sohn stets beim Gymnastikunterricht. Angél traut sich nicht, ihr die Wahrheit zu sagen, denn er ist in seinen 22 Jahren, die er bereits auf der Erde weilt, stets von dieser Frau eingeschüchtert worden.

Seine Mutter Berta (Juliette Serrano) ist Mitglied der „Opus Dei“, eine religiöse Sekte. Angél wohnt noch bei seiner Mutter und wird von ihr gezwungen, regelmäßig zur Beichte zu gehen. Aufgrund dieser Behandlung, die jegliche Freude abtötet, hat der Spanier noch keine Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht gesammelt, sehr zum Amüsement seiner Kollegen, die ihn nach den Unterrichtsstunden damit necken. Selbst sein Lehrer Diego ist verwundert über die Unberührtheit seines Schülers und so kommt es, dass sich Angél schwört, es all diesen Menschen zu zeigen, ihnen zu beweisen, dass er nicht impotent und nicht homosexuell ist. Aufgrund dessen lauert er eines Abends der Verlobten seines Lehrers auf, zerrt sie in eine dunkle Ecke und will sie vergewaltigen. Der Versuch misslingt und von Gewissensbissen und den Worten des Beichtvaters geplagt, begibt sich Angél zur Polizei, um Anzeige gegen sich selbst zu erstatten, um die Gnade Gottes empfangen zu können.

Es kommt jedoch anders als erwartet, denn da der Vergewaltigungsversuch misslang, denkt das Opfer Eva (Eva Cobo) gar nicht daran, ihren Peiniger anzuzeigen, sodass sich der in Nöten befindliche Schüler etwas anderes einfallen lassen muss, um für seine Tat zu büßen. Es kommt ihm gerade recht, dass der Kommissar (Eusebio Poncela) an mehreren Fällen arbeitet, bei denen mehrere Männer auf gewaltsame Weise zu Tode kamen und die alle in Verbindung zu stehen scheinen. Freimütig behauptet Angél, er habe all diese Männer umgebracht und bittet auf diese Weise, ins Gefängnis gesteckt zu werden. Unglücklicherweise ist nie jemand von der Schuld dieses Schwächlings wirklich überzeugt – auch nicht seine Pflichtverteidigerin Maria (Assumpta Serna), obwohl die Beweise zunächst gegen Angél sprechen, da er über alle Informationen und Hintergründe zu den betreffenden Fällen verfügt, was seiner Gabe geschuldet ist, Visionen zu empfangen. Auf diese Weise erfährt er auch, wer in Wahrheit der Mörder ist…

Bereits die Eröffnungsszene offenbart eine beeindruckende Intensität, die im Verlauf des Films nur langsam nachlassen wird, denn bis zum Finale ist das Geschehen von einer bedrückenden Aura des Morbiden durchzogen, die einen entweder magisch in ihren Bann zieht oder abstößt. Ein Filmausschnitt aus Jess Francos Die Säge des Todes – ein Film im Film. Der Fernseher läuft, zu abstoßend brutalen Szenen mit abgesägten Köpfen fällt die Kamera auf den Mann, der davor sitzt. Es ist die Legende des Stierkampfs Diego Montes, der zu den Bildern der Grausamkeiten masturbiert.

Alle Figuren dieses Werks, so wird in interessanten Einzelstudien deutlich, haben ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität oder zur Gewalt und zum Tod. Diese drei Themen sind untrennbar miteinander verbunden, symbolisch werden sie unentwegt miteinander verknüpft, was bereits im Anfang deutlich wird, wenn zwischen Lehrstunden des Stierkampfes und dem Geschlechtsakt zwischen zwei Menschen stets hin- und her geschnitten wird. In dieser Hinsicht ist Matador wenig subtil, offenbart jedoch auch einen gewissen Anspruch, denn es ist per se kein sonderlich unterhaltsamer Film, ohne dies als negative Kritik anbringen zu wollen. Matador beginnt als groteske Komödie mit skurrilen Einfällen, ohne jemals platt oder derbe zu wirken. Antonio Banderas spielt den introvertierten und eingeschüchterten Schüler exzellent und auf ihm liegt der Fokus im ersten Drittel des Films. Der Zuschauer begleitet Angél auf seiner Odyssee durch das Leben, man ertappt sich dabei, über diese fast bemitleidenswerte Kreatur zu lachen, wenn ein Vergewaltigungsversuch auf fast peinliche Art misslingt, der Täter scheinbar endlos Zeit damit verbringt, nervös sein Taschenmesser zu finden und auszuklappen, um es seinem Opfer an die Kehle zu halten.

All das kulminiert in einem Wolkenbruch und strömender Regen prasselt auf Angél und sein Opfer nieder, während Ersterer weiterhin erfolglos versucht, die schöne Eva zu vergewaltigen. Es ist dieser absurde Humor, der den Film äußerst frisch, da originell und kreativ erscheinen lässt und am Stärksten sind vielleicht die Szenen zwischen Mutter und Sohn, da diese ein jeder Zuschauer individuell als Tragödie oder Komödie auslegen kann, wenn die fanatische Mutter Angél penetrant mit religiösen Themen belästigt, ohne ihm auch nur die kleinste Spur von Gefühl entgegenbringen zu können.

Doch der Film wendet sich, sobald Angél im Gefängnis landet und mit dem Erscheinen der Pflichtverteidigerin Maria verschiebt sich der Fokus komplett auf eben jene Figur, die keine Randerscheinung bleibt, sondern sich zu einem Charakter mit Format entwickelt, dessen Abgründe und Sehnsüchte fast unerträglich intensiv und genau porträtiert werden. Es bleibt kein Film über Angél, der zu oft in den Hintergrund rückt und in Vergessenheit zu geraten droht, sondern es ist das Porträt mehrerer Menschen, die aufgrund ihrer unerfüllten Wünsche oder Perversionen leiden und ihrer Haut nicht entkommen können.

Dies kann nur in einer Katastrophe enden, die hier mit mehreren Morden stattfindet. Matador ist ein symbolträchtiger und morbider Film voll schwarzem Humor, düsteren Charakterzeichnungen und einer originellen Geschichte, die von erstklassigen Darstellern getragen wird. Lediglich der Aspekt mit Angéls Visionen macht das Werk im letzten Drittel arg unglaubwürdig und überfrachtet den Streifen regelrecht, während die anfängliche Begleitung des jungen Stierkampf-Schülers lediglich als Vorwand genutzt wird, sich den perversen Determinationen der weiteren Charaktere zu widmen. Die von Universum Film herausgegebene DVD bietet kaum Grund zur Beanstandung. Die Bildqualität ist aufgrund kräftiger Farben ausgezeichnet, der Ton klar und wer sich Filme generell gerne im Originalton anschaut – auch bei Sprachen, denen er nicht mächtig ist – für den hält der vorliegende Datenträger immerhin deutsche Untertitel bereit.



(Anzeige)

8
von 10