(„The Shop Around the Corner“, directed by Ernst Lubitsch, 1940)
“Oh, my Dear Friend, my heart was trembling as I walked into the post office, and there you were, lying in Box 237. I took you out of your envelope and read you, read you right there.”
1998 wurde das damalige Leinwand-Traumpaar aus Hollywood – Tom Hanks und Meg Ryan – von Nora Ephron nach dem Kassenschlager Schlaflos in Seattle wiedervereint. Ihr nächster gemeinsamer Film sollte E-Mail für Dich sein, basierend auf dem Theaterstück von Miklós László, nach dem bereits Ernst Lubitsch seinen Film The Shop Around the Corner drehte, damals mit Margaret Sullavan und James Stewart als sich liebendes und hassendes Paar. Dank Frank Capras Mr. Smith geht nach Washington war Stewart zu dieser Zeit bereits einer der erfolgreichsten und beliebtesten Schauspieler der Traumfabrik – wie es Tom Hanks höchstens in den späten 80er Jahren ansatzweise erreichen sollte.
Nora Ephron nahm sich für die Neuverfilmung einige Freiheiten mit der Bühnenvorlage, so spielt ihre Romanze in den Vereinigten Staaten, während Lubitschs Film in Budapest angesiedelt ist. Da es in den 40er Jahren nach Berichten von Zeitzeugen angeblich noch keine E-Mails gab, pflegen die Hauptfiguren nicht etwa eine anonyme Freundschaft über den digitalen Übermittlungsweg, sondern über Briefe. Angefangen hat alles mit einer Zeitungsannonce einer jungen Frau, die Briefkontakt mit einem gebildeten Mann sucht und Alfred Kralik (James Stewart) ist überzeugt davon, gebildet zu sein und kann dieser Anzeige nicht widerstehen. Es entwickelt sich eine intensive Brieffreundschaft und schon nach nur wenigen Mitteilungen hat sich der Angestellte, der in einem kleinen Laden arbeitet, der Koffer, Taschen und ähnliche Aufbewahrungsmittel verkauft, in seine Brieffreundin verliebt. Dieses Schweben auf der siebten Wolke macht es ihm einfacher, seinen Alltag in dem Geschäft zu ertragen, denn seit Neuestem macht ihm eine neue Verkäuferin und Kollegin das Leben schwer. Klara Novak (Margaret Sullavan) ist widerborstig, eigenwillig, erfolgreich und passt Kralik überhaupt nicht in den Kram. Auch die junge Dame ist von ihrem Kollegen wenig begeistert und die beiden lassen kaum eine Gelegenheit aus, sich das Leben schwer zu machen. Was jedoch keiner der beiden ahnt ist, dass der jeweils andere der anonyme Brieffreund ist…
Lubitschs Romanze ist weitaus mehr als eine oberflächliche Liebesgeschichte, die nur ihre Daseinsberechtigung hat, um durch flache Scherze und ein aufgesetztes, rührseliges Happy End dem Zuschauer ein warmes Herz zu bereiten. Rendezvous nach Ladenschluss vermag auch dies, doch darüber hinaus ist dieses Werk äußerst vielseitig und in dieser Hinsicht dem Remake weit überlegen. Auf einem Theaterstück basierend, spielt dieser Film fast ausschließlich in den Räumen des Geschäfts von Inhaber Matuschek. Lubitsch führt den Zuschauer ein in dieses kleine Universum, das man für die nächsten 90 Minuten fast nicht mehr verlassen wird. In dieses Universum gehören die Angestellten, die alle zu runden, interessanten Figuren geformt werden, von denen jeder die satirisch zugespitzten Züge einer Charakterkarikatur trägt, so etwa der schüchterne Pirovitch (Felix Bressart), der niemals seinem Chef widersprechen würde und sich jedes Mal versteckt, wenn er diesen sagen hört, dass er die ehrliche Meinung seiner Angestellten einfordert.
Das Kunststück, das Lubitsch hiermit vollbringt ist, sich nicht über diese Menschen lustig zu machen, sondern die Personen so zu zeichnen, wie sie sind, mit ihren Stärken, Schwächen und bestimmten Eigenschaften, wie sie ein jeder in sich trägt, humorvoll zu unterstreichen, ohne verletzend oder kaltherzig zu wirken. Neben dieser humorvollen Seite des Films, die ihren Witz aus den erwähnten bekannten, hier bewusst karikierten Situationen zieht, offenbart Lubitschs Werk eine dramatische Ebene, mit der sensibel umgegangen wird und die sich in all ihrer stillen Trauer von der Komödie distanziert, wenn sich der Ladeninhaber Matuschek aufgrund eines Ehebruchs seiner Frau das Leben nehmen will. Darüber hinaus spielt der Film mit weiteren Existenzängsten wie der einer Kündigung, die Alfred Kralik miterleben muss und die ihm den Boden unter den Füßen wegreißt.
Es sind nicht nur diese sensiblen Momente der Stille, der ernsthafte Umgang mit dramatischen Themen, welcher der Neuverfilmung komplett abgeht, sondern es ist zudem die feinsinnige Philosophie über Beziehungen und den wahren Charakter eines Menschen, den man zu kennen glaubt. Die Frage, die hier aufgeworfen wird, ist so komplex wie simpel, denn was ist letztendlich das wahre Gesicht einer Person, von der man zwei Seiten kennt: der feinfühlige Intellekt aus Briefen oder das verletzende Streben nach der Erfüllung eigener Interessen? Vor allem: wie beeinflusst die Person, mit der wir in den jeweiligen Situationen den Umgang pflegen unser Verhalten und weshalb?
The Shop Around the Corner ist ein warmherziger Film mit viel sensiblem Gespür für Humor und Dramatik mit philosophischen Reflexionen und einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte, die viele interessante Aspekte bietet und anschauliche Seitenhiebe auf gesellschaftliche Situationen bietet von langsam aufgebautem Vertrauen, das innerhalb von Sekunden zerstört werden kann über die Veränderung eines Menschen aufgrund der äußeren Umstände, die ihn umgeben bis hin zu dramatischen Schicksalsschlägen, die gekonnt in einer Mischung aus Komödie und Drama verbunden werden.
(Anzeige)