Als der blinde Drehbuchautor Harry Caine (Lluís Homar) die Nachricht erhält, dass der Millionär Ernesto Martel (José Luis Gómez) gestorben ist, bedeutet das für ihn, sich mit einer längst vergessenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Umso mehr, da auch der Sohn Ernesto Junior (Rubén Ochandiano) auftaucht und ihm ein Filmprojekt anbieten. Dabei sind es vor allem die Erinnerungen an Lena (Penélope Cruz), welche im nahegehen. Denn auch sie war als Geliebte von Martel Teil seiner Vergangenheit, da sie in seinem Film mitspielen sollte. Gemeinsam mit seiner Ex-Freundin und Agentin Judit (Blanca Portillo) sowie deren Sohn Diego (Tamar Novas) wird es Zeit anzuerkennen, was damals wirklich geschehen ist …
Sie sitzt vor dem Spiegel – ein Ebenbild Audrey Hepburns. Sie dreht sich, lächelt in die Kamera. Alle lieben sie und das weiß sie auch. Eine platinblonde Perücke ziert nun ihr Haupt – sie gleicht Marilyn Monroe, so verführerisch und verrucht blickt sie sich im Spiegel an. Es ist eine denkbar dankbare Rolle für eine Schauspielerin, denn die Rolle der Lena Rivero verlangt von einer Frau alles ab. Penélope Cruz gibt dem Zuschauer alles und mehr. Man muss sie einfach lieben, genauso wie Pedro Almodóvar sie liebt, der mit Zerrissene Umarmungen das vierte Mal mit Cruz zusammenarbeitete und ihre ungeheure Wandlungsfähigkeit immer wieder lobend hervorhebt. Sie ist hier die Femme Fatale, die alle Männer ins Unglück stürzt – ungewollt. Man kann dem attraktiven Pechvogel nicht böse sein. Sie, die gefangen ist, eingesperrt von mehreren Determinationen. Wünsche, diesen zu entkommen, scheitern an weiteren Bedürfnissen, die diesen widersprechen. Ein Spiel, bei dem man nur verlieren kann. Lena ist Schauspielerin – sie will es zumindest werden. Aus dem Sumpf der Prostitution stieg sie auf zur Sekretärin des mächtigen und reichen Tycoons Ernesto Martel (José Luis Goméz). Dieser verliebt sich in seine hübsche Angestellte und Lena fühlt sich dazu verpflichtet, sich ihm als dankbar zu erweisen, denn es war Martel, der dafür sorgte, dass ihr schwer krebskranker Vater in einem privaten Krankenhaus versorgt werden konnte. Sie wird zur Geliebten des alten Mannes, doch sie fühlt sich eingesperrt in dem riesigen Anwesen, sodass sie sich erneut einen Job suchen will.
So kommt es, dass Lena bei Regisseur und Drehbuchautor Harry Caine (Lluis Homar) vorspricht, der gerade eine Komödie mit dem Titel Frauen und Koffer plant. Auch Harry ist unfähig, den Reizen dieser Frau zu widerstehen und so erhält sie den Zuschlag für die Hauptrolle – sehr zum Missfallen Ernesto Martels, der verlangt, diesen Film zu produzieren, um seine Geliebte auf diese Weise immer überwachen zu können. Die Situation spitzt sich immer weiter zu und so kommt es zur Katastrophe. 14 Jahre später räumt der inzwischen erblindete Harry Caine mit seiner dunklen Vergangenheit auf und spricht über diese Erlebnisse, die er lange Zeit verdrängt hatte. Der Besuch des Sohnes von Ernesto Martel weckt diese alten Erinnerungen und die gesamte Zeit, die das Leben aller Beteiligten schlagartig verändern soll, wird wieder aufgerollt…
Wir Menschen sind von den verschiedensten Dingen determiniert. Die Personen in diesem Film – allen voran Lena und Harry – sind vom Film abhängig und für dieses Medium, für ihr eigenes Werk, das sie auf Zelluloid gebannt haben, nehmen sie bereitwillig jegliche Leiden auf sich. Darin besteht die Liebeserklärung an den Film in diesem Werk von Pedro Almodóvar, in dem sich zahlreiche Erwähnungen auf Klassiker der Filmgeschichte finden lassen. So ist auch der Film im Film – Frauen und Koffer – nur eine leicht veränderte Version von Almodóvars eigener, 1989 entstandener Komödie Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Dabei ist Zerrissene Umarmungen wesentlich mehr als nur eine Hommage an das Kino, sondern es ist ein verschachteltes, komplexes Drama, ein Seelenstriptease aller Beteiligten. Ein Strudel, der etwas Magisches entfaltet, denn bereits die kleinste Kameraeinstellung kann in ihrem Detailreichtum Hinweise auf Vergangenes oder Zukünftiges geben. In dieser Hinsicht ist Zerrissene Umarmungen ähnlich symbolträchtig wie der kürzlich besprochene und ebenfalls in der „Pedro Almodóvar Edition No.4“ erschienene Matador mit Antonio Banderas.
Zerrissene Umarmungen ist ein langsam erzähltes Drama über menschliche Obsessionen. Ein filmisches Bermuda Dreieck, das einen Sog entwickelt, dem man sich nicht mehr entziehen kann, denn durch eine starke, bedrückende Atmosphäre weckt Almodóvar das Interesse an den Charakteren – sie werden zu Vertrauten, menschlichen Wesen, die man aus dem alltäglichen Leben in abgewandelter Form zu kennen glaubt und je mehr die Zeitreise Harry Caines voranschreitet, desto mehr begehrt der Zuschauer über das Geheimnis seiner Weggefährten zu wissen. Mit bedeutungsschwangeren Bildern, einer exzellenten und sehr interessanten Kameraführung sowie beeindruckenden darstellerischen Leistungen ist dem Regisseur hier ein kleines Meisterwerk gelungen.
OT: „Los abrazos rotos“
Land: Spanien
Jahr: 2009
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
Musik: Alberto Iglesias
Kamera: Rodrigo Prieto
Besetzung: Penélope Cruz, Lluís Homar, Blanca Portillo, José Luis Gómez, Rubén Ochandiano, Tamar Novas, Angela Molina
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