(„The Changeling“, directed by Peter Medak, 1980)
„That house is not fit to live in. No one’s been able to live in it. It doesn’t want people.“
Eine Unterart des Horrorfilms ist der Geisterfilm. Nicht derart schockierend wie Horrorfilme, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen und mit einem Holzhammer stets daran erinnern, dass man sich jetzt gefälligst zu fürchten habe, sondern eher bescheidene Gruselfilmchen, die sich langsam aufbauen und deren wirklicher Star meist ein altes, verlassenes Haus ist, das ein gespenstisches Eigenleben entwickelt. So geschah es nicht nur in The Amityville Horror, sondern auch in dem ein Jahr später entstandenen The Changeling von Peter Medak. Knarrende Türen, zerspringende Fenster, wackelnde Kronleuchter. Der unsichtbare Horror, der hinter den vier Wänden lauert. Buh! Gefürchtet haben muss sich auch Drehbuchautor Russell Hunter, denn dessen Drehbuch basierte auf eigenen Erfahrungen, da er sich selber in einem Geisterhaus in Denver, Colorado einmietete. Der Mietpreis betrug angeblich lediglich 200 Dollar, da außer Hunter niemand dort wohnen wollte.
Der Grund wurde ihm schnell klar, denn kurz nach seinem Einzug vernahm er oftmals ein lautes Klopfen, Türen begannen sich zu öffnen und zu schließen und undefinierbare Geräusche ertönten. Eine alte Frau erzählte dem Schriftsteller schließlich, dass ein Poltergeist in diesem Haus umgehe, weshalb dort niemand wohnen wolle und auf einer Party traf der Mieter schließlich einen Mann, den niemand von den weiteren Gästen identifizieren konnte, so Hunter. Dieser Gast erzählte ihm, dass es einen dritten Stock in dem Haus gebe, in welchen man durch einen versteckten Gang gelangen könne. Mit Hilfe von Bekannten fand er schließlich diesen Gang und gelangte so in ein Zimmer, das seit Urzeiten nicht mehr betreten wurde, so verrieten es die dicke Staubschicht und die dichten Spinnenweben an den Wänden.
In diesem Raum fand der Drehbuchautor einen kleinen Rollstuhl und ein Buch eines neunjährigen Kindes, das in diesem abgeschiedenen Zimmer versteckt gehalten wurde, da es behindert war und sich seine Eltern für ihn schämten. Hunter entdeckte das Geheimnis um diesen kleinen Jungen, das aus Rücksicht vor denjenigen, die den Film noch nicht gesehen haben, nicht wiedergegeben werden soll und zog schließlich um. Angeblich zog der Geist des Jungen jedoch mit dem Schriftsteller Hunter um und terrorisierte ihn in seinem neuen Haus weiter. Dies endete schließlich, als ein Pfarrer gerufen wurde, der einen Exorzismus an dem Haus durchführte.
Das glauben sie nicht? Müssen sie auch nicht, aber in diesem Fall werden sie vielleicht auch Probleme mit diesem Gruselfilm haben. George C. Scott passiert genau das in diesem Film – er wird von dem Geist eines vor langer Zeit verstorbenen Jungen heimgesucht, der ihn auf ein altes Geheimnis stößt, das gelüftet werden muss, damit der Geist seine Ruhe finden kann. Scott ist der Komponist John Russell, der kurz zuvor bei einem Autounfall seine Frau und seine Tochter auf tragische Weise verloren hat und sich nun ins Leben zurückkämpft. Um seine Ruhe zu haben, mietet er sich in ein riesiges Anwesen ein, das außer ihm niemand bewohnen will. Dabei stellt Peter Medak gleich zu Beginn die Frage, was das eigentliche Grauen für den Komponisten ist: der Tod seiner Familie oder der Terror, der vom Hausgeist ausgeht und dem man anscheinend nicht entgehen kann. Scott ist der geschundene Leidtragende, der etwas zu unsensibel und selbstsicher daherkommt, als dass der Zuschauer jemals um sein Leben fürchten müsse, denn John Russell ist nicht zu bremsen und derart forsch, dass man weit davon entfernt ist, sich um das Leben des Künstlers Sorgen zu machen.
Doch man hätte allen Grund dazu, wenn der liebste Spielball seiner toten Tochter plötzlich aus dem dunklen Nichts des letzten Treppenabsatzes heruntergepurzelt kommt und sich die Nackenhaare des Vaters und Witwers aufstellen. Dabei ist The Changeling weniger ein Gruselfilm, sondern vor allem in der zweiten Hälfte eher ein Thriller und als solcher kein uninteressanter, der zumindest sehr gut zu unterhalten versteht. Als Mischung aus diesen zwei Genres hat Peter Medaks Film seine glänzenden Momente, die aus einer sorgsam gespannten Atmosphäre rühren, aber trotzdem einige Ideen verschenken. So mag man zunächst glauben, der Geist, den John Russell anfangs sehe, sei der seiner toten Tochter und nicht etwa der Hausgeist. Was ist filmische Realität, was sind die subjektiven Erinnerungen des Komponisten? Diese Möglichkeit zur sinnerweiternden Schilderung wird nicht ausgeschöpft, hält den Zuschauer aber immerhin mit unerklärlichen und fesselnden Aufnahmen in seinem Bann, wenn die Kamera das gefährliche Haus Zentimeter um Zentimeter ableuchtet und die mysteriösen Vorfälle spannend in Szene setzt.
Interessante Ansätze eines Verschwörungsthrillers vermögen auch einige gegen Ende hin recht dümmliche und stereotype Dialoge wettzumachen. Ein Gruselthriller, dessen größte Qualität eben diese Genremischung ist, die auch Klischees ins Gegenteil umkehren lässt, wenn jeder sofort bereit ist, die Geistergeschichte des John Russell zu glauben und es sich eigentlich nur um einen guten Geist handelt, der verzweifelt versucht, seinen Frieden zu finden. Spannend und unterhaltsam kann Das Grauen trotz kleinerer Schwächen durchaus empfohlen werden und macht teilweise verständlich, weshalb sich dieses Werk auf Martin Scorseses Liste der gruseligsten Filme befindet.
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