Die Nacht vor der Hochzeit

Die Nacht vor der Hochzeit

(„The Philadelphia Story“, directed by George Cukor, 1940)

„Aren’t you coming Liz?

Well, it seems I’ve got to commit suicide first.”

The Philadelphia Story war eine der erfolgreichsten Broadway-Produktionen Ende der 30er Jahre. Bereits in der Bühnenproduktion, die mehrere hunderte Aufführungen erlebte, spielte Katherine Hepburn die Rolle der Tracy Lord, eine reiche, verwöhnte Dame, die an andere die größten Ansprüche hat, sich selbst aber als perfekt erachtet. Als Geburtstagsgeschenk erhielt Katherine Hepburn schließlich eine ungewöhnliche Gabe von einem bekannten Gönner, dem Milliardär Howard Hughes. Dieser schenkte ihr die Rechte an dem Bühnenstück, sodass Hepburn damit machen konnte, was sie wollte. Was sie schließlich wollte, war eine Filmversion des Bühnenstücks in die Wege zu leiten. Aufgrund ihrer Rechte hatte sie dabei vollstes Bestimmungsrecht, sodass sie vorschlagen konnte, wer neben ihr auf der Leinwand agieren sollte.

Ein Regisseur stand dabei schnell fest und wurde in George Cukor gefunden, mit dem Hepburn eine tiefe Freundschaft verband. Während diese auf der Bühne mit Van Heflin und Joseph Cotton gespielt hatte, wollte sie für die Filmversion Clark Gable und Spencer Tracy gewinnen, die in die Rollen von Dexter Haven und dem Journalisten Macauley Connor schlüpfen sollten. Clark Gable lehnte jedoch ab und Spencer Tracy war bereits vertraglich an einen anderen Film gebunden, sodass ein Ersatz für die beiden Mimen gefunden werden musste. James Stewart und Cary Grant erhielten daraufhin das entsprechende Angebot, in dem Film mitzuspielen, doch ersterer war zunächst skeptisch und hielt sich für fehlbesetzt. Obwohl Stewart einen Oscar für seine Leistung als umtriebiger Reporter gewinnen sollte, hatte dieser nie den Eindruck, dass diese Trophäe für seine Darbietung gerechtfertigt war. Auf diese Weise beschreibt The Philadelphia Story eine fast einmalige Erfolgsgeschichte, von einem hochgelobten und vielbesuchten Theaterstück zu einem Kassenschlager im Kino – ausgezeichnet mit zwei Oscars für James Stewart und das beste Drehbuch.

Nach den eigenen Aussagen des Drehbuchautors Donald Ogden Stewart brauchte dieser aufgrund der Perfektion der originalen Vorlage kaum etwas am Script zu ändern und so geschieht es, dass Die Nacht vor der Hochzeit von der ersten bis zur letzten Minute wie ein Theaterstück anmutet – auf Zelluloid gebannt mit erstklassigen Schauspielern, die teilhaben an dem Klassikerstatus dieser berühmten Screwball-Komödie. Der wohlhabende C.K. Dexter Haven (Grant) tritt aus dem Haus – wutentbrannt stürmt er an sein Auto. Kurz darauf folgt – wortlos und ebenso wutentbrannt – seine Ehefrau Tracy Lord (Katherine Hepburn). Sie trägt seine Golfschläger, wirft sie ihm vor die Füße, ehe sie einen der Golfschläger über ihrem Knie zerbricht. C.K. Dexter Haven geht ihr nach, als Sie wieder ins Haus stürmt, stößt ihr Gesicht zu Boden – Sie fällt.

George Cukor inszeniert Dramen der menschlichen Beziehung auf seine eigene, humoristische Art und lehnt sich dabei bewusst an die Stummfilme z.B. Laurel und Hardys an, wenn er das Unvermögen der Kommunikation ad absurdum führt. Das Ehepaar hat miteinander abgeschlossen – Tracy und C.K. lassen sich scheiden. Zwei Jahre später macht das Gerücht die Runde, Tracy Lord wolle ein zweites Mal heiraten – dieses Mal keinen aus der Oberschicht, sondern einen bescheidenen Mann aus dem Volke. Für die Klatschpresse ist das ein gefundenes Fressen – auch für das „Spy“-magazin, das sehr wohl weiß, dass Tracy Lord keine Journalisten duldet und das Hochzeitsevent streng von der Außenwelt abschirmt. Das soll zu einem Problem werden für die beauftragten Reporter Macauley (James Stewart) und Elizabeth (Ruth Hussey), doch diese sollen Hilfe bekommen, von einem Mann, der es ihnen schließlich ermöglicht, der Feierlichkeit beizuwohnen. Dieser Gentleman ist niemand Geringeres als C.K. Dexter Haven, der nur allzu gerne bereit ist, die beiden Journalisten in das Anwesen der Lords einzuschleusen. Diese wiederum – allen voran Tracy selber – sind alles andere als begeistert, als sie erfahren, wer sich nun für ein paar Tage in ihrem Haus einnistet, denn nicht nur Macauley und Elizabeth haben sich dort niedergelassen, sondern auch Tracys früherer Ehemann Dexter Haven.

Die Lords machen das Beste aus ihrer misslichen Lage – sie spielen Komödie und geben sich als perfekte Familie aus, über die man unmöglich etwas Schlechtes schreiben kann. Doch bald beginnen die Dinge kompliziert zu werden, denn zwischen Tracy und Macauley funkt es bald – und auch Dexter Haven scheint hinter all den Boshaftigkeiten, die er seiner Exfrau an den Kopf wirft, die Hoffnung auf eine neue Beziehung zu ihr noch nicht aufgegeben zu haben. Die folgenden Tage werden für die verwöhnte Verlobte zu einem Selbstfindungstrip. Wer ist Sie wirklich – was steckt hinter ihrer kühlen Fassade? Will Sie wirklich heiraten? Empfindet Sie noch etwas für ihren Ex-Mann? Und welche Rolle spielt der Reporter Macauley Connor dabei?

Es gibt nur sehr wenige Drehbücher, die behaupten können, in fast jedem Satz eine Pointe aufweisen zu können. Die Nacht vor der Hochzeit besitzt eine solche Qualität, die den Film auch nach 70 Jahren noch erstaunlich frisch und frivol erscheinen lässt. Die Stärke liegt nur in treffsicheren Ein-Zeilern, sondern auch in den urkomischen Schlagabtäuschen, die sich das verhasste, ehemalige Ehepaar Lord liefern und an denen man unmittelbar an der schieren Spielfreude erkennen kann, welchen Spaß die Schauspieler mit diesem Werk hatten. Der Zirkus, den man für die beiden emsigen Reporter veranstaltet, um seriös zu wirken, führt hierbei wie so oft die Falschheit (nicht nur der oberen Gesellschaft) vor Augen, die hier in einer Groteske auf die Spitze getrieben wird.

Die Tragik des Films liegt hierbei im Charakter der kaltherzigen Tracy Lord selber, die zu spät zu merken scheint, dass sie mit ihrem arroganten Verhalten nicht nur andere, sondern vor allem sich selber unglücklich macht. Um eindimensionale Charaktere zu vermeiden, präsentiert sich die Verlobte jedoch nicht nur als emotional erkaltete und stets kühl kalkulierende Hausherrin, sondern besitzt unter ihrer harten Schale einen weichen Kern, der für den Zuschauer zum Ventil für Mitgefühl und Bedauern wird. Diese Konstruktion der Figuren macht aus Die Nacht vor der Hochzeit nicht nur eine erstklassige, wort- und witzgewaltige Komödie, sondern auch warmherzige Unterhaltung mit einem erstklassigen James Stewart, der hier in einer seiner besten Leistungen auf der Leinwand zu erleben ist.



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