(„Housesitter“, directed by Frank Oz, 1992)
„Wow! You’re a genius. You’re like the Ernest Hemingway of bullshit!”
Housesitter ist einer jener altmodischen Filme, an die alten „Screwball-Komödien“ Hollywoods der 30er Jahre erinnernd, die heute kaum noch gedreht werden und die so liebenswert und harmlos sind, dass man sie einfach gern haben muss. Eigenschaften, die Regisseur Frank Oz gut kennt, zeichnet er ich doch für zahlreiche derartige Hollywood-Streifen verantwortlich, die trotz ihres Kitsches und ihrer blank polierten Harmlosigkeit stets bestens zu unterhalten wissen – vor allem aufgrund der Tatsache, dass Frank Oz immer ein gutes Händchen für die Besetzung seiner Filme hatte, wie es auch in Housesitter der Fall ist. In diesem Fall stimmt die Chemie zwischen Steve Martin und Goldie Hawn, obwohl letztere keinesfalls die erste Wahl für die Rolle der notorischen Lügnerin Gwen war. Zunächst sollte Meg Ryan die Rolle übernehmen, doch als diese absagte, kam die Sprache auf Kim Basinger, welche jedoch ebenfalls kein Interesse an dem Film des gebürtigen Engländers Oz hatte. So geschah es, dass Goldie Hawn die Zusage erhielt, was dem Film, wie sich herausstellen sollte, nur gut tat.
Ihr Filmpartner Steve Martin übernahm die Rolle des Architekten Newton Davis, der in seiner Heimatstadt ein Haus für seine Angebetete Becky (Dana Delany) bauen lässt. Als er ihr das Schmuckstück schließlich zeigt, zeigt sie sich zwar erstaunt, reagiert auf den darauf folgenden Heiratsantrag jedoch kühl und abweisend. Newton Davis wäre verrückt und natürlich würde sie ihn nicht heiraten – das sind die Worte, die der verliebte Architekt zu hören bekommt und die ihn schwer verletzen. Trotz dieser unangenehmen Erinnerung weigert er sich, das Haus zu verkaufen, obwohl sein Einkommen als Angestellter recht gering ist und er das Geld nötig hätte. Sein Schicksalstag wird durch einen Abend besiegelt, an dem er eine Party seiner Firma besucht.
Dort verscherzt er es sich nicht nur mit dem Chef, sondern lernt außerdem die attraktive Gwen (Goldie Hawn) kennen, von der er denkt, sie wäre ungarisch. Wie sich herausstellen soll, ist dies nicht die einzige Unwahrheit, welche die Kellnerin mit sich herumschleppt. Newton braucht nicht lange, um herauszufinden, dass Gwen ein notorischer Lügenbaron ist – doch so unwiderstehlich, dass er nicht anders kann, als ihr sein Herz auszuschütten und anschließend mit ihr zu schlafen. Das böse Erwachen kommt für ihn erst einige Tage später, denn Gwen hat sich daraufhin aufgemacht zu Newtons neuem Haus in seiner Heimatstadt, von dem er ihr erzählte. Nach einem Einkauf nistet sie sich in dem Gebäude ein und ihre Ankunft bleibt nicht unbemerkt. Das Mädchen aus der Großstadt schließt schnell Freundschaften mit den Dorfbewohnern – unter anderem auch mit den Eltern Newtons, ohne dass dieser auch nur etwas von der Entwicklung in seinem Heimatstädtchen ahnt. Damit nicht genug, streut Gwen zahlreiche Erfindungen und Gerüchte in die Welt. Freimütig behauptet sie, dass sie mit Newton verheiratet sei. Dieser kann weder Augen, noch Ohren trauen, als er schließlich zurückkehrt, um sein Haus zum Verkauf anzubieten. Für ihn beginnt die aufregendste Zeit seines Lebens.
Housesitter mag harmlos sein, ist dabei aber noch lange kein banaler oder schlechter Film, denn als kurzweilige, romantische Komödie erfüllt er allemal seinen Zweck und hat aus allen Darstellern erstklassige Leistungen herausgeholt, von denen neben Steve Martin und Goldie Hawn auch Peter MacNicol (Ally McBeal) erwähnenswert ist, der in einer kleinen Nebenrolle den schleimenden Freund von Newton Davis spielt. Was als nette Beziehungsgeschichte beginnt, entwickelt sich bald zu einer nicht unoriginellen Satire, die auf mehreren Ebenen überzeugt, was in erster Linie an der weiblichen Hauptdarstellerin liegt. Das arme Waisenkind, das in einer Großstadt in einer Absteige wohnt, macht sich auf, ihr Glück zu finden – es verschlägt sie in ein verschlafenes Nest mitten im Grünen unweit Bostons, wo das Haus des Architekten steht.
Zwei Welten prallen aufeinander und Regisseur Frank Oz versäumt es nicht, diese Kulturunterschiede gebührend auszukosten, wenn er Goldie Hawn als liebenswerten Trampel in Szene zu setzen weiß. Verglichen mit ähnlichen romantischen Komödien ist der Charakter der weiblichen Hauptperson hier recht interessant und auf diese Weise erklimmt Housesitter die nächste Ebene und entwickelt sich weiter. Gwen mag charmant und liebenswert sein, doch genauso bedauernswert ist das Mädchen, das sich ein besseres Leben verspricht, in dem sie sich eine Traumwelt aufbaut. Es ist die tragische Erkenntnis, dass all das enden muss, dass es keine Lösung geben kann, die man mit immer größer werdenden Lügen zu umgehen versucht. Sie ist derart unsicher, dass sie glaubt, anderen nur sympathisch erscheinen zu können, wenn sie ihnen etwas vorlügt, wobei diese Menschen – allen voran Steve Martin als primärer Leidtragender – diese fatalen Lügen zu ihren eigenen Vorteilen missbrauchen. Unmöglich, aus dem Netz der Unwahrheiten herauszukommen, müssen die Personen mit ihnen umgehen können und eine komplette Beziehung beginnt, sich auf nichts weiter als auf Lügen aufzubauen.
Die Charaktere erfinden sich neu und begründen ihre eigene Realität, in die sie sich immer weiter hereinsteigern, bis es endgültig keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Einige Szenen sind hierbei zu zuckersüß geraten, um auch nur im Entferntesten glaubwürdig zu sein, doch von dem unvermeidbaren Kitsch und einem vorhersehbaren Ende abgesehen ist Housesitter eine durchaus amüsante und liebenswerte Komödie mit perfekt harmonierenden Hauptdarstellern, einer nicht uninteressanten Idee als Konzept und einer kompositorisch erstklassigen, unwiderstehlichen Musik vom viel zu früh verstorbenen und unterschätzten Miles Goodman.
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