(„Mount St. Elias“, directed by Gerard Salmina, 2009)
„Es ist vielmehr ein innerer Kampf gegen sich selbst, als ein Kampf gegen die Natur.“
Wenn Sie Schnee und Sport genauso hassen wie ich, dann ist der Dokumentarfilm Mount St. Elias genau das Richtige für Sie, denn er macht den Horror, den die Bergsteiger beim Erklimmen dieses Giganten durchgemacht haben deutlich – einen Horror, der uns kalt den Rücken runterläuft, wenn wir die Massen an weißem Pulver nur auf der Mattscheibe sehen. Der Mount St. Elias liegt bzw. steht in Alaska, an den Grenzen zu den USA und Kanada. Er ist fast 5.500 Meter hoch und gehört zum Gebirge der Eliaskette. 1897 wurde das Monstrum erstmalig bestiegen, doch am bekanntesten ist vielleicht die Besteigung durch vier Amerikaner im Jahre 2002, bei denen zwei der Männer durch ein tragisches Unglück ums Leben kamen. 2007 wurde erneut ein Versuch unternommen – von 7 Abenteuerlustigen, die ihr Erlebnis auf Zelluloid bannen ließen. Der Film vom Österreicher Gerard Salmina beschreibt ihre Expedition und die Hölle, die sie durchmachen mussten, bevor 4 Männer nach einem zweiten Versuch schließlich den Gipfel im August 2007 erreichten und anschließend die Strecke auf Skiern herunterfuhren. In kurzen Einblendungen schwenkt der Regisseur hierbei immer wieder über zu Rückblenden und Erinnerungen bzgl. der Expedition von 2002, für die Szenen nachgestellt wurden.
All das klingt nach einem aufregenden Stoff, aus dem Dokumentarfilm-Träume gemacht werden. Doch leider schien sich Gerard Salmina nicht rechtzeitig entschieden zu haben, ob er nun einen realitätsgetreuen Bericht über die 2007er Expedition machen will oder einen Action Spielfilm, der in seinen reißerischsten und plakativsten Szenen fast schon unfreiwillig komisch anmutet. In dramatischer Zeitlupe stürzt ein Bergsteiger mehrere Meter tief, um dort seinen Tod zu finden. Nicht etwa begleitet von gefährlicher Stille, wie es die Zeitzeugen berichten, sondern von hochemotionaler, aufdringlicher Musik, die zu den Kernproblemen dieses ambitionierten Projekts gehört. Es gibt kaum Stellen im Film, an dem nicht gesprochen wird, kaum Stellen, an denen keine Musik läuft – Stille ist ein Fremdwort, wenn sich das künstliche Orchester aufrafft zur mit elektronischer Perkussion verstärkten Hymne für die Helden, die sich alles zumuten.
Als wäre dies auf die Dauer von 100 Minuten nicht bereits genug, wurden unpassender Weise Rocksongs eingebaut, während die Bergsteiger sich auf Skiern ihren Weg bahnen, was beim Zuschauer eher das Gefühl hervorruft, den für die Musikauswahl Verantwortlichen erwürgen zu wollen, anstatt in irgendeiner Art und Weise mitzufiebern. Das Fehlen der Stille ist letztlich dafür verantwortlich, dass dem Berg ein großer Teil seiner Gefahr genommen wird, die nur durch die Aussagen der Bergsteiger ausgedrückt werden kann, nicht aber durch eine gespenstische Ruhe, wie die Helden des Films sie empfinden mögen. Von dieser Schwäche abgesehen, ist es bedauerlich, dass man es versäumt hat, den Zuschauer mit den Vorbereitungen zu der Kletteraktion vertraut zu machen. Nach einer kurzen Besprechung in einer warmen Hütte unweit des Mount St. Elias brechen die Bergsteiger auf – Essen und Zelte zunächst mit sich führend, doch von ihrem eigentlichen Hintergrund, ihrer jahrelangen Vorbereitung für dieses Projekt erfährt man nicht das Geringste.
Vielleicht muss man das auch nicht, denkt sich der ein oder andere, der von den magischen Landschaftsaufnahmen schier erdrückt wird. Das größte Plus dieses Werks sind nämlich eben jene grandiosen Kamerafahrten und Fotografien des Monstrums St. Elias – Bilder von einer unbeschreiblichen Schönheit, wie aus einem IMAX-Film. Der Regisseur ist sich dieser Schönheit bewusst und verschwendet daher keine Zeit, auf den Zusammenhalt im Team einzugehen. Während der Zuschauer noch geblendet ist von der preisverdächtigen Kameraarbeit, fällt es schwer, sich auf die Oberflächlichkeit der Darstellungen zu konzentrieren. In den Monologen der Skifahrer erfährt man wenig über sie selbst, sondern vielmehr über die Ehrfurcht die sie – zu Recht – vor dem Mount St. Elias haben, doch interessiert das den Zuschauer wirklich, da er die Charaktere nicht gut genug kennt? Man sieht ihre Gesichter, ohne damit Geschichten verbinden zu können, sodass es letzten Endes sogar recht verwirrend wird, wenn es keine Bedeutung mehr zu spielen scheint, welche Rolle eine bestimmte Person nun spielt, da man sie ohnehin kaum auseinanderhalten kann.
Trotzdem bleibt Mount St. Elias überraschend unterhaltsam und schafft es zumindest, die Routen der Bergsteiger klar nachzuzeichnen, sodass wir über jeden ihrer Schritte auf dem Laufenden gehalten werden. Mit diesem Pluspunkt kann dieses Werk als Dokumentarfilm immerhin teilweise überzeugen, was nicht davon ablenkt, dass der größte Star der Kameramann ist, dessen Arbeit nicht genug zu loben ist. Es ist wie ein lebendiges Bilderbuch, reich an Farben und Eindrücken, an denen man sich nicht satt sehen kann. Als informative Doku ist Salminas Film aber dennoch zu verkrampft, zu oberflächlich mit den Charakteren, nicht informativ genug über die Hintergründe und die Versuche, Szenen aus Hollywoods Actionfilmen gleichzukommen, schlagen drastisch fehl. Den Komponisten hingegen sei lediglich als Erinnerung gesagt: „Stille ist etwas Wunderbares.“
Mount St. Elias ist seit 07. April auf Blu Ray und DVD erhältlich
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