(„ 風の谷のナウシカ“ directed by Hayao Miyazaki, 1984)
Nausikaa ist eine Figur die der griechischen Mythologie entspringt und genau wie bei Homer, hat auch die gleichnamige Prinzessin dieses Anime keine Angst vor Fremden, auch wenn es sich dabei um – zumindest optisch – furchteinflößende Insekten handelt. Die postapokalyptische Welt in der Nausicaä lebt, wird nämlich fast zur Gänze vom sogenannten Meer der Fäulnis bedeckt, ein für Menschen unbewohnbarer und pilzbefallener Wald, in dem die Ohmus, panzerähnliche Riesenwürmer, das Sagen haben. Wie genau es zu diesem neuen Ökosystem kommen konnte wird in den fast zwei Stunden Laufzeit nicht genauer erklärt, man gibt dem Zuschauer aber zu verstehen, dass es die katastrophalen Folgen eines Krieges sind.
Während uns nun dank einer kurzen Expedition im Meer der Fäulnis durch Nausicaä die neue Welt äußerst bildgewaltig vermittelt wird, stoßen wir auch gleich auf andere Figuren, wie etwa dem Schwertmeister Yupa. Auch er stammt, genauso wie Prinzessin Nausicaä, aus dem Tal der Winde, einem der wenigen Orte wo die Luft noch rein und der Boden nicht verpestet ist. Mit der Friedlichkeit die das Tal ausstrahlt ist es aber sehr bald zu Ende, denn bewaffnete Truppen aus Torumekia überfallen das Dorf und bringen den König um. Während die Menschen im Tal der Winde in Eintracht mit der (verbleibenden) Natur leben, will das Königreich Torumekia das Meer der Fäulnis und all seine Insekten kurzerhand niederbrennen. Die Sachlage verkompliziert sich unnötig als auch noch das Königreich Pejite zerstört und damit ein neuer Krieg heraufbeschworen wird…
Hayao Miyazaki, der hier sein eigenes Manga für die Leinwand adaptierte, gelang hier lange vor seinem hochgelobten Prinzessin Mononoke ein bildgewaltiges Epos das den Kampf zwischen Mensch und Natur im Fantasy-Gewand zum Thema macht. Der Film wird im Vorspann sogar vom WWF empfohlen was natürlich einen Sinn ergibt, denn Miyazaki setzt sich schließlich für eine tolerante und friedliche Position gegenüber Mutter Natur ein.
Die Animationen selbst wirken sehr flüssig und die detailreichen Zeichnungen sind ein wahrer Augenschmaus. Die kräftigen Farben und die satten Töne, die die restaurierte Blu Ray-Fassung mit sich bringen, kaschieren das tatsächliche Alter des Films merklich. Genauso wie bei anderen Ablegern der Ghibli Studios gelingt der Mix aus vorzüglicher Zeichenkunst und gelungener Story. Die eingeflochtene Sozialkritik spricht primär ein erwachsenes Publikum an, macht den Film aber für etwas ältere Kinder nicht unattraktiv. Nicht zu vergessen ist auch noch der Soundtrack von Joe Hisaishi, vor allem das wunderschöne Haupttheme gefällt hier sehr gut.
Nausicaä – Aus dem Tal der Winde ist ein typischer Ghibli-Film, wobei er nicht so wie die neueren Vertreter japanischer Animationskunst mit überladenen Effekten und transzendenten Konzepten den westlichen Zuschauer überfordert. Diese Tatsache mag wohl nur dem Produktionsjahr und den damit eingeschränkten technischen Möglichkeiten geschuldet sein, gefällt mir persönlich aber besser als irgendwelche psychedelischen Reisen und metaphysischen Botschaften.
Nausicaä – Aus dem Tal der Winde ist seit 15. April auf Blu Ray erhältlich
Es war einmal eine Zeichentrickprinzessin von Hayao Miyazaki, die furchtlos war, geschickt mit Waffen umgehen konnte, sich für die Natur einsetzte und gegen die Ausbeutung durch den Menschen. Wer jetzt automatisch an Prinzessin Mononoke denkt, hat natürlich recht. Aber auch nur zum Teil. Tatsächlich schickte der japanische Altmeister schon dreizehn Jahre zuvor in Nausicaä aus dem Tal der Winde eine blaublütige junge Dame in den Kampf gegen eine Menschheit, die in ihrer Gier und Gewalttätigkeit die Welt an ihren Abgrund brachte. Grund Genug, im 11. Teil unseres Specials über Studio Ghibli an die Ursprünge des Animationsstudios zurückzukehren.
Und die finden wir im Jahr 1984. Hayao Miyazakis Debütfilm Das Schloss von Cagliostro lag zu dem Zeitpunkt bereits fünf Jahre zurück, vergessen war seine erfolgreiche Mangaverfilmung aber nicht. Tatsächlich war seine Version von Lupin III. der Grund, weshalb sich „Animage“ an ihn wandte und gemeinsame Projekte anregte. 1978 gegründet ist das Magazin bis heute eine Anlaufadresse für alle, die sich über Animes informieren wollen. Aber auch andere Formen des Entertainments fanden immer wieder Platz darin, unter anderem der Fortsetzungsroman „Umi ga kikoeru“ von Saeko Himuro, der später von Studio Ghibli als Fernsehfilm Flüstern des Meeres umgesetzt wurde. Und auch Nausicaä fand als Manga dort seinen Anfang.
Anders als bei Cagliostro stammte dieses Mal aber auch die Vorlage von Miyazaki selbst, und das dürfte Kenner seiner späteren Filme kaum überraschen. Der Einsatz für Frieden und die Antikriegshaltung war unter anderem in Das wandelnde Schloss prominent, Waffen einer längst vergangenen Zivilisationen finden sich in Das Schloss im Himmel, Chihiros Reise ins Zauberland und Ponyo – Das große Abenteuer am Meer griffen die ökologischen Themen des Frühwerks wieder auf. Doch die stärksten Gemeinsamkeiten finden sich eben bei Prinzessin Mononoke, an manchen Stellen wirkt Nausicaä wie die Blaupause seines großen Durchbruchtitels mehr als ein Jahrzehnt später, angereichert mit einem großen Schuss Avatar.
Und das bedeutet natürlich auch, dass es düsterer zugeht als bei vielen anderen Filmen von Studio Ghibli. Ganz so explizit wie in Mononoke wird die Gewalt hier zwar nicht, dafür wird hier so oft gestorben wie nirgends sonst. Es dauert dann auch nicht lange, bis wir den ersten Toten zu beklagen haben: die Prinzessin von Pejite. Als Geisel des Königreiches Torumekia stürzt sie zusammen mit dessen Luftschiff im Tal der Winde ab. Nausicaä versucht das Mädchen zwar zu retten, vielmehr als Schmerzlinderung bleibt ihr aber nicht übrig.
Es ist der erste Kontakt zwischen den Nationen seit langer Zeit, die Welt ist vom „Meer der Fäulnis“ bedeckt, einem riesigen Dschungel voll giftiger Pflanzen und gefährlicher Insekten. Den Menschen bleibt nicht mehr als kleine Landstriche, die einzigen Orte, an denen man ohne Atemmaske nach draußen kann. Doch eben diese Orte werden immer weniger, viele Reiche sind dem ständig wachsenden Urwald bereits zum Opfer gefallen. Um dem ein Ende zu setzen, versucht Torumekia einen der legendären Titanen zum Leben zu erwecken, riesige künstliche Krieger die während der „Sieben Tage des Feuers“ für die Menschen kämpften. Er soll die tödlichen Wälder zerstören, mitsamt den Insekten, und so ein weiteres Überleben sichern. Doch Nausicaä verweigert sich dem Kriegsgedanken, lehnt sich sowohl gegen Torumekia als auch Pejite auf. Denn sie weiß, dass da mehr dahinter steckt, dass diese toxischen Bäume eine wichtige Aufgabe im Kreislauf der Natur erfüllen.
Ein bisschen sehr idealistisch und Pro-Natur ist Nausicaä aus dem Tal der Winde natürlich schon. Und spätestens wenn die Titelfigur als jesusartige Märtyrerin aufgebaut wird, ist klar: Hier gibt es keine Grautöne, bei der Einteilung in Helden oder Schurken wird nichts der Interpretation überlassen. Das ist vor allem dann auffällig, wenn man die Figuren mit den sehr viel ambivalenteren vergleicht, die Miyazaki später entwarf. Während der gut zwei Stunden, die der Film dauert, wird man davon freilich nur wenig merken. Dafür ist er einfach zu spannend und zu fantasievoll ausgestaltet. Gerade die Szenen, in denen Nausicaäa in den Wäldern unterwegs ist, sind ein Beispiel dafür, dass es keine moderne Technik braucht, keine Computergrafiken, und auch kein bombastisches Budget, um beeindruckende Landschaften auf den Bildschirm zu zaubern. Ein bisschen Kreativität tut’s auch.
Natürlich merkt man den Zeichnungen ihr Alter an, ebenso der Musik, die aus typischen 80er-Jahre-Synthieklängen besteht. Offenheit für eine inzwischen etwas altmodische Machart sollte man also schon mitbringen. Diese vorausgesetzt, unterhält Nausicaä aus dem Tal der Winde noch genauso gut wie vor 30 Jahren. Und wer sich für die Geschichte der Animationsfilme interessiert und aus irgendeinem Grund diesen hier noch nicht gesehen haben sollte, für den ist die Endzeitgeschichte ohnehin ein Muss. Denn erst der große Erfolg von Miyazakis zweitem Langfilm erlaubte die Gründung von Studio Ghibli und damit einem Studio, ohne das die Filmwelt heute doch deutlich ärmer wäre.
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