(„Once“, directed by John Carney, 2006)
„Fantastic stuff. That’ll be a hit, no question.”
Das ist er also, der Film, über den Steven Spielberg sagt, er habe ihm so viel Inspiration gegeben, dass es für das Jahr reiche, der einer der größten Überraschungserfolge des Jahres 2006 war und der einen Oscar für den besten Song erhalten hat. Once von John Carney, eine irische Produktion, die lediglich mit einem Minimal-Budget entstand und die Zuschauer reihenweise verzauberte. Es ist ein sehr persönlicher Film geworden, ein intimes kleines Juwel, das vielleicht mehr über die Filmschaffenden erzählt, als über die Figuren im Film selbst.
Denn es ist auch die autobiographisch angehauchte Geschichte des Regisseurs, ein Musikers, der eine Fernbeziehung zu seiner Freundin in London unterhielt, es ist ein Film, in dem improvisiert wurde, der komplett mit einer Handkamera entstand, in nur 17 Tagen gedreht wurde und Erinnerungen des Drehbuchautors Carney und des Hauptdarstellers Hansard an das alte Dublin der Arbeiterklasse wachruft. Es ist ein Film, der augenscheinlich fast keine Handlung aufweist, sondern sich als modernes Musical über eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau entpuppt – ohne viel Dialoge, mit den bescheidensten Mitteln und vor allem mit viel Musik, denn die Hauptdarsteller Hansard und Irglová sind selber Sänger, die sich während der Dreharbeiten verliebten und bekannt gaben, dass es sehr unwahrscheinlich sei, jemals wieder vor die Kamera zu treten. Doch sie haben ihren Job gut gemacht in diesem kleinen, wunderschön zarten und sehr interessanten Film, der die Liebe zwischen zwei Menschen auf eine ganz andere Art zu erzählen versteht.
Alles beginnt an einem kalten Abend in einer Fußgängerzone in Dublin. Ein junger Mann, dessen Namen wir nie erfahren (Glen Hansard) spielt und singt eine Eigenkomposition, jetzt, wo die Straßen fast leer sind. Denn tagsüber wollen die Leute, so sagt er, nur bekannte Songs hören und keine neuen Lieder, für die sie ihm kein Geld in den Koffer schmeißen. 10 Cent erhält er von einem jungen Mädchen, deren Name ebenfalls nie genannt wird (Markéta Irglová). Zunächst ist er beleidigt von dem wenigen Geld, das sie ihm in seinen Gitarrenkoffer geworfen hat, denn der Mann hat selber kaum etwas zum Leben und arbeitet nebenher in der Reparatur-Werkstatt seines Vaters. Die Chemie zwischen dem Mann mit der Gitarre und dem Mädchen mit den 10 Cents stimmt nicht, er ist gehässig und zynisch, sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Sie fragt ihn aus, will mehr wissen, doch die Konversation funktioniert nicht, sie scheitert.
Einen Tag später kann sie ihn dazu überreden, ihren Staubsauger zu reparieren. Widerwillig stimmt er zu, doch zuvor besuchen sie einen Musikalienhandel, in dem das Mädchen dem Gitarristen ein Stück auf dem Klavier vorspielt. Für beide scheint es der Beginn einer tiefen Freundschaft zu sein, denn als sie eine Komposition des rothaarigen Mannes üben, nähern sich nicht nur Gitarre und Klavier immer weiter an, sondern mit ihnen auch die Personen selber. Beide kämpfen ums Überleben und Respekt, sie haben nur wenig Geld und scheinen wie füreinander geschaffen zu sein. Zwischen Kompositionen und Proben müssen die beiden herausfinden, ob eine Beziehung wirklich eine Chance hätte, denn das Leben hat für beide noch viele Überraschungen bereit…
Once erzählt eine Geschichte durch Songs. Darauf muss man sich einlassen und man wird belohnt. Es gibt lange Szenen, in denen visuell kaum etwas geschieht. Es sind Szenen von Menschen, die eine Straße entlanggehen und ein selbst komponiertes Lied summen, es sind Bilder von Menschen, die gemeinsam musizieren und diese Impressionen vermögen dem Zuschauer alles über die Charaktere zu erzählen, über ihre Wünsche und ihre Ängste, über ihre Hoffnungen und Träume, über ihre Befürchtungen und die graue Realität der Arbeiterklasse Dublins. Es ist eine interessante Entwicklung, welche die Hauptcharaktere im Verlaufe des Films durchmachen, denn ganz allmählich nähern sie sich an, obwohl alle Konversationen scheitern und ein erfolgreicher Dialog, der nicht kollabiert, nur in Form von Musik möglich ist. So ist es der Gitarrist, der nur dazu fähig ist, über seine Liebe zu einer alten Flamme zu sprechen, indem er zu seinem Instrument greift und über diese Erfahrung singt. Ohne Instrument und Gesang mit dem Mädchen in seinem Zimmer sitzend misslingt jegliche Unterhaltung, man missversteht sich, das Mädchen flieht.
Die schönste Szene findet beim gemeinsamen Musizieren in einem Musikgeschäft statt, denn sie ist voller Intimität und strahlt Wärme und Geborgenheit aus, während der aufgeführte Song die Weite einer Konzertbühne erahnen lässt. All das ist gefilmt mit einer Handkamera, welche die Sensibilität dieses Werks gekonnt einzufangen versteht. Sie schafft es, eine reale Atmosphäre aufzubauen, die ein jeder von uns kennt. Wir brauchen keine Dialoge um zu bemerken, wie unwohl sich der Gitarrist in der Wohnung des Mädchens fühlt, wir müssen nicht sein Gesicht sehen, das nicht weiß, wohin es sich wenden soll.
Wir atmen die Atmosphäre, wir kennen solche Situationen und Once erreicht in diesen besten Momenten fast die Stimmung eines Dokumentarfilms, in dem die Songs zur Abrechnung und Aufarbeitung der Vergangenheit werden sowie gleichzeitig zum Aufbau der Zukunft, an der man zu arbeiten beginnt. Es ist eine Liebeserklärung an die Kraft der Musik, mit der man sich Respekt verschaffen kann und die alles möglich zu machen scheint. Es ist aber auch ein unprätentiöses Eingeständnis an menschliche Schwächen, an Träume, an Verpflichtungen, an die Wünsche nach dem ganz großen Glück, die nicht immer erfüllt werden können, die aber, wenn man sie in seiner Musik auslebt, zu einem großen Kunstwerk werden können.
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