(„Faites sauter la banque!“, directed by Jean Girault, 1963)
„Monsieur, ich möchte meinem Mann eine Freude machen – was können Sie da empfehlen?“
„Bestellen Sie ein Callgirl und verstecken Sie es in seinem Bett!“
Balduin, der Geldschrankknacker“entstand vor dem großen Durchbruch von Louis de Funès in seiner legendären Rolle als Gendarm von Saint-Tropez, der ihn bis zu seinem frühen Tod 1983 zu den bestbezahlten und beliebtesten schauspielern Frankreichs machen sollte. 1963 besaß er sein riesiges Schloss noch nicht, er hatte noch keine Herzinfarkte erlitten und war auf dem besten Wege dahin, seinen Ruf als grantiger Familienvater zu festigen. Der hier rezensierte Film half ihm dabei und gehört zu jenen kuriosen Fällen, denen der deutsche Filmverleih den Titel „Balduin, (…)“ gab, obwohl im Film selber ein solcher Name nicht einmal auftauchte.
Doch de Funès war in der BRD mit einer Figur namens Balduin ebenso bekannt wie mit dem Namen „Louis“, sodass man, ob es passte oder nicht, jedem neuen Streifen einen solchen Namen als Zusatz verpasste. Darüber hinaus ist Faites sauter la banque! noch durch eine andere Tatsache bemerkenswert, denn die Komödie wurde 1983, nach dem Tod des Hauptdarstellers, nachträglich koloriert. Der in schwarz/weiß gedrehte Film ist somit in farbiger und nicht-farbiger Variante im Fernsehen und auf DVD zu sehen, wobei die Kolorierung mit kräftigen Farben als durchaus gelungen bezeichnet werden darf. De Funès spielt hier das, wofür er am besten bekannt ist: den zornigen Familienvater aus der Mittelschicht in Form von Victor Garnier, der ein Geschäft für Angelzubehör und Waffen führt, bei dem ihn Frau und Kinder fleißig unterstützen. Doch leider ist das Glück nicht auf der Seite des Geschäftsmannes, denn er vertraut dem Direktor der Bank von gegenüber eine hohe Summe Geld an, damit dieser sie in Aktien investiere.
Es dauert nicht lange, da fallen die Aktien rapide und Garnier ist sein ganzes Erspartes los. Kleiner Mann, was nun? An dieser Stelle ist die Frage um Recht oder Unrecht außer Kraft gesetzt, denn kurioserweise erhält Garnier in der Kirche den Gedankenanstoß dazu, sich sein Geld wiederzubeschaffen: in dem er die Bank ausraubt. Eine Möglichkeit dazu ist schnell gefunden, indem man einen Tunnel graben will, der direkt zu den Sicherheitsfächern der Bank führt. Zusammen mit seinen Kindern und seiner Frau macht sich der Geschäftsführer an den Plan, der bald jedoch einige Lücken aufweist und zu scheitern droht. Nicht viel angenehmer sind da diverse andere Zwischenfälle, wie etwa der unerwartete Besuch der Verwandtschaft oder der Polizei, die davon überzeugt ist, Garnier habe seine Frau umgebracht…
Balduin, der Geldschrankknacker ist Zuschauermanipulation in Reinkultur. Nun werden manche denken, das über eine solch harmlose Komödie zu sagen, wäre Blasphemie, und dennoch nimmt Jean Giraults Film ganz klar Stellung zur Situation des Geschäftsmanns Garnier, der all sein Geld verloren hat und den man nun emotional unterstützen soll. Er ist es, der sein Gesicht direkt in die Kamera hält und in karikierenden Montagen aus seiner Sicht schildert, wie der rücksichtslose Geschäftsführer der Bank seines Vertrauens sein Geld verpulvert, was sich Garnier so mühsam erarbeitet hat. Man kann gar nicht umhin, als Partei für den armen Anleger zu ergreifen, der das Großbürgertum und den Kapitalismus verurteilt, man muss über den rücksichtslosen Menschen der Bank den Kopf schütteln – jedoch ohne zu erfahren, welche Schuld dieser Finanzmann nun wirklich auf sich geladen hat.
Stattdessen gibt es Fantasien Garniers, der sich ausmalt, was für ein glanzvolles Leben sein neuer Gegenspieler führt, während er selber all seine Ersparnisse los ist. Es sind die Sorgen und Nöte des kleinen Mannes, die hier im Vordergrund stehen und die überhaupt nicht die Frage aufkommen lassen, ob das, was Victor Garnier in seinem Keller plant, rechtmäßig ist oder nicht. Die Gesellschaftskritik wird auf satirische Weise konsequent fortgesetzt, denn die Idee zum Bankraub erhält Garnier bei einer Predigt in einer Kirche, als ein Beispiel aus der Bibel erläutert wird. Daraufhin macht sich der Geschäftsmann sowohl mit der Einwilligung von Gott, als auch mit der Zustimmung des Zuschauers an die Ausführung seines Plans. Die Voraussetzungen sind damit gesetzt: Garnier ist der Held, man fiebert mit ihm mit, die Polizei und die Bank sind seine Gegenspieler. Unabhängig davon, wie unsympathisch dieser kleine, zornige Mann auch sein mag: man ist auf seiner Seite.
Natürlich geht während der Grabungsaktion zur Bank alles schief, was schief gehen kann. Durch diese Konstruktion wird der Film zwar zeitweilig etwas vorhersehbar, doch de Funès tut alles, um den Zuschauer mit seinen Gebärden, seinen Ausbrüchen, seinen Ablenkungsmanövern vor den Bildschirm zu fesseln. Diese Rettungsaktion zur Unterhaltung gelingt tatsächlich in den meisten Fällen, denn der französische Komiker ist weitaus besser, als das Material, das man ihm in Form eines Drehbuchs vorgelegt hat. Wahrscheinlich gehört der kleine, stets aufbrausende Mann zu der kleinen Gruppe von Schauspielern, die sogar unterhaltsam sind, wenn sie auch nur Rasen mähen, denn das Mienenspiel und die Gestik de Funès entschädigen für einige wenig originelle Zutaten des Drehbuchs, wie etwa die konstruierte Liebesgeschichte zwischen der Tochter Garniers und eines Angestellten der Bank, die, ganz im Sinne von Romeo und Julia, für ihre Liebe kämpfen müssen.
Das gerät derart vorhersehbar, dass man die zwei jungen Menschen lediglich zum ersten Mal sehen muss, um bereits zu wissen, dass sie die Gegenstände der unverzichtbaren Liebesgeschichte in diesem Film werden. Balduin, der Geldschrankknacker macht, dem Hauptdarsteller sei Dank, trotzdem Spaß und unterhält – in Anbetracht des gegebenen Materials – überraschend gut, denn de Funès besitzt das Timing, das selbst aus flachen Witzen wahre Feuerwerke machen kann.
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