(„The Adventures of Sherlock Holmes“, directed by Alfred Werker, 1939)
“Elementary, my dear Watson, elementary.”
Sherlock Holmes sagt einmal in Bezug auf seinen ewigen Gegenspieler Professor Moriarty: „Die klügsten Verbrecher sind selten grausam.“ Wenn man dieser Pauschalisierung zustimmen möchte, kann man sie auch problemlos auf die Filmgeschichte anwenden, in der es die intelligentesten Werke nicht nötig haben, anstößig oder gar grausam zu sein. Die Abenteuer des Sherlock Holmes ist in dieser Hinsicht ein harmloses Filmchen ohne Blutvergießen, ohne übermäßige Gewalt, die dem Zuschauer nahegebracht wird.
Es ist ein kluger Detektivfilm, was unmittelbar mit der Hauptfigur des berühmtesten Detektivs der Literatur- und Filmgeschichte zusammenhängt, der seine Fälle stets mit der Assistenz Dr. Watsons zu lösen pflegt, unterstützt von der mittlerweile legendär gewordenen Meerschaumpfeife. The Adventures of Sherlock Holmes war der zweite von insgesamt 14 Filmen, die zwischen 1939 und 1946 um den Ermittler mit Basil Rathbone und Nigel Bruce in den Hauptrollen entstanden. Während die ersten beiden – Der Hund von Baskerville und der hier rezensierte Streifen – noch im viktorianischen Zeitalter angesiedelt sind, wurden die Produktionen, die nur mit einem geringen Budget entstanden, schließlich in die Gegenwart verlegt, um für Fälle wie Die Geheimwaffe oder Die Stimme des Terrors zu Propagandazwecken des Krieges missbraucht zu werden. Mit 85 Minuten ist Die Abenteuer des Sherlock Holmes zugleich auch der längste der zahlreichen Filme über Sherlock Holmes, die sich auch durch die kurze Laufzeiten auszeichnen. Das merkt man dem hier rezensierten Werk freilich nicht an, denn Sherlock Holmes ermittelt hier nicht nur in einem, sondern in zwei Fällen, die seine ganze Aufmerksamkeit erfordern.
Alles beginnt an einem regnerischen Nachmittag in London. Überhaupt scheint es in dieser Stadt entweder in Strömen zu regnen oder dichter Nebel zieht auf, unfähig, sich innerhalb der nächsten Tage wieder zu verziehen, sodass ein Großteil des Films in dichten Nebelschwaden geschildert wird, was als atmosphärisches Stilmittel in Schwarzweiß-Fotografie passend zum Charme beiträgt. An einem solch schmuddeligen Tag begegnet Sherlock Holmes seinem Widersacher Professor Moriarty (George Zucco) im Gerichtssaal. Moriarty ist – wenn es nach Holmes geht – der brillanteste Verbrecher, den England je kennen gelernt hat und der einzige Geist, der es mit dem des Detektivs aufnehmen kann. Er ist so klug, dass er vor Gericht mit der Anschuldigung eines Mordes freigesprochen wird, ohne dass Holmes dagegen vorgehen kann.
Auch Moriarty unterschätzt den Intelligenzquotienten seines Bekannten nicht und er ist sich darüber bewusst, dass er sich für seinen nächsten Coup etwas ganz Besonderes einfallen lassen muss, um nicht auf frischer Tat ertappt zu werden. So schmiedet er einen intelligenten Plan, der streng genommen aus zwei Unternehmungen besteht. Moriarty hat es auf den Tower von London abgesehen, gedenkt jedoch, Holmes mit Hilfe einer Morddrohung gegen einen jungen Mann abzulenken. Das funktioniert auch tatsächlich: nur wenige Stunden später erscheint in der Wohnung des Detektivs eine junge Dame (Ida Lupino), welche die Morddrohung an ihren Bruder entdeckt hat und Sherlock Holmes nun um Hilfe bittet. Da diese Nachricht äußerst mysteriös ist, ist das Interesse geweckt und man beginnt – zusammen mit Dr. Watson – zu ermitteln. Noch ahnt niemand, dass sie einen Fehler begehen und das Schlimmste nicht verhindern können: einen Mord.
Kurz, knackig und schnell zum Punkt kommend. Was auf alle der 14 Filme mit Basil Rathbone als Sherlock Holmes zutrifft, macht auch hier keine Ausnahme. Nach diesem ökonomischen Prinzip führt uns Alfred Werker in die Geschichte und die Figuren ein, ohne Zeit zu verlieren. Angenehmerweise verliert der Film trotz seines strammen Anfangs auch nie von seinem Tempo, sodass, auch wenn das Werk keine anderen Qualitäten besäße, zumindest gute Unterhaltung garantiert wäre. Hinzu kommt, wie gewohnt, die hervorragende Chemie zwischen Sherlock Holmes und seinem Kompagnon Dr. Watson bzw. zwischen Basil Rathbone und Nigel Bruce, die in ihrem Zusammenspiel für die nötige Selbstironie und den Humor sorgen, der angenehmerweise nicht etwa daher kommt, dass Dr. Watson wie in den späteren Filmen zu einem begriffsstutzigen Idioten verkommt, sondern als liebenswerter Assistent präsentiert wird, der für seinen Freund die Hand ins Feuer legen würde und in jeder Hinsicht absolut loyal, wenn auch von einigen Ideen wenig begeistert ist.
Am Interessantesten an diesem Fall bzw. an diesen Fällen ist der Umstand, dass das eigentliche Verbrechen, was Moriarty als die Krönung seiner Karriere ansieht, bis zum Finale komplett im Dunkeln bleibt. Während sich Holmes auf die „falsche“ Fährte konzentriert und auf die Weise über einen Mord stolpert, den es aufzuklären gilt, weiß der Zuschauer nicht nur bis zum Schluss nicht, ob der Detektiv seinen Widersacher dingfest machen wird, noch, woraus der eigentliche, so perfide geschmiedete Plan des Meisterverbrechers besteht. Lassen Sie sich entführen in die Welt des Verbrechens, wenn unter Todesschreien in schnellen Schnitten und schiefen Kamerawinkeln der britische Detektiv sein Können unter Beweis stellt.
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