(„Tracker“, directed by Ian Sharp, 2010)
„… and I thought, the war was finished.“
Fährtensucher Arjan ist ein Bär. Und ein Burenkrieger. Und ein Heimatloser. Ein Suchender. Ein Fremder. Ein Jäger. Ein Gejagter? Tracker ist weniger ein „Auf der Flucht“-Film, der sich pausenlos die Frage stellt, wer der Gejagte und wer der Jäger ist. Es ist vielmehr ein Film über die stete Frage nach der Heimat, um Respekt und um das Annähern zweier Menschen, die auf den ersten Blick so verschieden voneinander sind wie nur möglich. Ray Winstone ist Arja Van Diemen, ein Burenkrieger, der seine Heimat Südafrika verlassen hat und sich nun nach Neuseeland hat einschiffen lassen. Wir wissen nicht genau, warum.
Es spielt auch keine Rolle. Vielleicht will er dort dauerhaft ansässig werden, vielleicht möchte er ein Stück Land kaufen, Farmer werden oder er probiert sich nur aus, in der Hoffnung, bald wieder ein Stück Erde zu finden, dem er den Titel „Heimat“ geben kann. Wir wissen ohnehin nicht viel über diesen Mann, über den gesagt wird, dass er britische Offiziere rücksichtslos abgeschlachtet habe. Er muss also gefährlich sein und die Tatsache, dass der Zuschauer über diesen Charakter zu Beginn nicht das Mindeste erfährt, bestärkt diese Aura des Unberechenbaren nur noch. Kurz nach seiner Ankunft trägt sich ein Verbrechen in diesem ihm neuen Ort zu: in einer Scheune will sich der Maori Kereama (Temuera Morrison) mit einer Frau vergnügen, doch ihm kommen britische Soldaten dazwischen. Sie drohen ihm, sie wollen ihn schlagen. Das tun sie auch. Links, rechts, ins Gesicht, zwischen die Beine, in rasanten Schnitten mit wackelnder Kamera wie in den coolsten Hollywod Action-Blockbustern der Gegenwart. Ob das hier ins Konzept passt oder nicht, spielt keine Rolle, vielleicht will man Jugendliche ansprechen, damit sie nicht gleich wegzappen. Doch „Gejagt“ entpuppt sich nach kurzer Zeit nicht als auf die Jugend gebürsteter Actionfilm, sondern als leises Melodram mit Selbstironie und Herz.
Bei dem Handgemenge kommt es zu einem Unfall: einer der britischen Soldaten tötet seinen Kollegen und aus – offensichtlichen – Gründen schiebt man die Schuld dem Maori zu, der für die Tat verantwortlich gemacht werden soll. Natürlich hält man zusammen und so geschieht es, dass die Jagd auf den Unschuldigen eröffnet wird. Mittendrin ist Van Diemen, der Burenkrieger, der große, starke Bär, der sich dazu überreden lässt, mitzuhelfen bei der Suche, weil viel Geld lockt, wenn man den Kopf des Maori bekommt. Van Diemen folgt ihm – und findet ihn. Sie kämpfen, er verliert ihn wieder, er findet ihn wieder, sie kämpfen und zwischendrin sind immer wieder diese kleinen Gesprächen über Heimat, Schicksal und das, was beide verbindet. Das ist mehr, als sich beide anfangs eingestehen wollen: beide sind heimatlos, beide haben die wichtigsten Menschen in ihrem Leben auf brutale Weise verloren und beide sind schlauer, als sie es voneinander erwartet hatten. Denn die Spurenverfolgung gerät dabei deutlich uninteressanter, als sie für beide Hauptpersonen in der filmischen Realität gewesen sein mag. Falsche Spuren, abgeknickte Äste, nichts, was man nicht schon in gleicher Form gesehen hätte.
Aber Tracker entwickelt sich weiter. Das Beste an diesem insgesamt doch recht kurzweiligen Werk ist das harmonierende Zusammenspiel von Ray Winstone und Temuera Morrison, welche die nötige Selbstironie einfließen lassen, damit der recht dünnen Story-Vorlage nicht so schnell die Luft ausgeht. Aufgrund dieses positiven Aspekts wirkt Gejagt stets angenehm humorvoll und wie von leichter Hand inszeniert, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen. Das erlaubt in diesem Fall trotzdem die eingehende Beschäftigung mit den beiden Charakteren, bei denen sehr bald ein Rollentausch vor sich geht: der große Bär Van Diemen wird von seinem Opfer, dem Maori, dazu hingerissen, Seelenstriptease zu betreiben und wird zum Therapie-Patienten für den eigentlich Gejagten, der mit ihm leidet, weil er ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Das hätte mit einer anderen Besetzung schief gehen können. Hier funktioniert es, man nimmt es den Beiden ab, wenn ihr Respekt vor dem Anderen immer weiter wächst. Das ist jedoch nur der Ausgangspunkt für die stets kursierende Frage, wie weit der Jäger/Gejagte gehen würde, um den Anderen zu fangen. Will er ihn überhaupt fangen? Würde er gar töten? Oder haben sie sich zu gut kennen gelernt? Steht einem das Gewissen im Weg, letztlich vielleicht sogar die Ideale? Beide kämpfen sie verzweifelt um Freiheit – um ihre eigene, um die ihrer Gleichgesinnten.
Die Leichtigkeit, die menschliche Wärme können den Film über seine Laufzeit von 90 Minuten gut tragen, unterstützt wird die Handlung optisch durch die Aufnahmen der scheinbar zivilisationslosen Landschaft Neuseelands, die einen zeitweise denken lässt, man befinde sich hier in einem Natur-Dokumentarfilm. Das Wasser ist von unschuldigem Hellblau, die Sonne schickt ihre Strahlen über das frische Grün der unendlichen Wiesen und zwei Männer kämpfen um ihr Leben – um das letzte bisschen, was ihnen noch geblieben ist.
Gejagt – Auf Leben und Tod erscheint am 20. Mai auf Blu Ray und DVD
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