(„Winterschläfer“ directed by Tom Tykwer, 1997)
Tom Tykwer ist vielseitig talentiert. Der Deutsche ist schließlich nicht nur Filmregisseur, sondern ebenso Drehbuchautor, Komponist und Produzent. Zuletzt hat Tykwer mit The International in Hollywood Fuß fassen können und mit Drei einen tragikomischen Film über Liebe, Moral und Geschlechter im spätmodernen Deutschland inszeniert. In Winterschläfer hat er einen alpinen Mystery-Thriller geschaffen.
Die sinnliche Übersetzerin Rebecca (Floriane Daniel) ist mit dem egoistischen Skilehrer und Schürzenjäger Marco (Heino Ferch) zusammen, aber lebt gemeinsam mit ihrer introvertierten Freundin Laura (Marie-Lou Sellem), einer Krankenschwester und Laientheaterdarstellerin in einer idyllischen Kleinstadt in den Bergen. Der Filmvorführer Rene (Ulrich Matthes) hat Probleme mit seinem Kurzzeitgedächtnis. Er klaut das offen stehende Auto von Marco, baut damit einen Unfall und flieht. Doch dann trifft er sich mit Laura. Der Bauer Theo (Josef Bierbichler) verliert bei dem Unfall nicht nur sein Pferd; seine Tochter liegt nun im Koma. Der einzige Hinweis auf den Schuldigen Autofahrer den er hat, ist die Erinnerung an ein rätselhaftes linienförmiges Symbol.
In seinem zweiten Spielfilm Winterschläfer nutzt Tom Tykwer die majestätische Bergwelt der bayerischen Alpen als weißgrundierte Leinwand eines komplexen Gemäldes. Winterschläfer schöpft das Potential des Deutschen Films voll aus, indem der Regisseur eine Mischung aus Liebesfilm, Drama und Mystery-Thriller kreiert hat und dadurch eine einmalige Komposition zusammengestellt hat.
Der Regisseur erzeugt von Anfang an eine spannende Atmosphäre, indem er stets zwischen den Protagonisten wechselt. Die Kamera von Frank Griebe gleitet unaufhörlich durch tiefverschneite Tannenwälder, oder sie schwingt sich auf, um über Bergrücken und Gletscherspalten hinwegzufliegen. Tykwer verwendet daneben viele schnelle Schnitte, Montagen und Blenden, um seine Geschichte dynamisch voranzubringen.
Zudem arbeitet der Regisseur mit Farben: Jedem der Liebespaare ist eine Farbe zugeordnet, die charakteristisch für die jeweilige Figur ist. Die Schauspieler liefern ordentliche bis gute Leistungen ab. Herausgenommen sei hier Joef Bierbichler (Das weiße Band), der hier zwar nur im Ansatz den alpinen „angry man“ wie in Winterreise mimt, aber dennoch einmal mehr eine geniale Darstellung bietet.
Eine klirrende Melodie peitscht die komponierten Bilder voran, wie mit dem Glockenspiel geschlagen, getragen von einem pulsierenden, untergründigen Beat. Bild und Ton erzeugen eine sogartige Wirkung, ihre Interaktion erreicht hier ein meisterliches Niveau. Als Komponisten sind damals Reinhold Heil und Johnny Klimek erstmals dabei, die seitdem eine musikalische Einheit mit dem Regisseur bilden.
Winterschläfer ist ein Meisterwerk der (deutschen) Filmgeschichte. In den 117 Minuten kann Tykwer den Spannungsbogen fast permanent aufrechterhalten und erweist sich zeitweise sogar als deutscher Meister der Suspense. Die DVD enthält als Bonusmaterial einen „Audiokommentar mit Tom Tykwer und Kameramann Frank Griebe“, ein „Making-of“, die Features „Tom Tykwer dreht ‚Winterschläfer‘“ und „Heino in den Seilen“ sowie „Trailer“.
Winterschläfer erscheint am 27. Mai auf Blu-Ray und DVD.
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