Die Last der Träume

Die Last der Träume

(„Burden of Dreams, directed by Les Blank, 1982)

“Without dreams we would be cows in a field, and I don’t want to live like that. I live my life or I end my life with this project.”

Angeblich soll es Personen geben, die behaupten, die Dokumentation zu Fitzcarraldo sei interessanter als der Film, über den sie gedreht wurde. Zumindest ist Les Blanks Burden of Dreams kürzer. Es aber als ein Making-Of zu bezeichnen, träfe den Kern nicht wirklich, denn Les Blank beschreibt zwar die Probleme, die Herzog während der nervenaufreibenden Produktion hatte, beleuchtet aber vielmehr den Aufprall von zwei Kulturen: der westlichen und die der Indianer aus dem Amazonas-Gebiet. Fitzcarraldo selber ist mittlerweile ein legendärer Film geworden über die Abenteuer des Opernliebhabers Fitzgerald, dargestellt von Klaus Kinski, der mitten im Urwald ein Opernhaus eröffnen möchte.

Für seinen Traum lässt er sogar ein tonnenschweres Schiff über einen Berg ziehen. Wahrscheinlich war Werner Herzog von der (wahren) Geschichte des Fitzgerald so fasziniert, weil er sich in ihm wiedererkannte, denn wie der Opernliebhaber wurde Herzog von seinen Träumen gequält. Auch darum geht es in Burden of Dreams. Die einzige Möglichkeit, diesen Qualen zu entkommen, ist, den Film fertig zu stellen und seine Träume zu verwirklichen. Das macht Herzog zum Kämpfer, der all die Löwen in der Gesellschaft bewundert, die ihre Träume wahr werden lassen, auch wenn sie akzeptieren, dass sie dafür hart kämpfen und allen Gegebenheiten, die sich gegen sie wenden, trotzen müssen.

Ursprünglich sollte der amerikanische Schauspieler Jason Robards die Rolle des Fitzcarraldo übernehmen, doch als dieser krank wurde, verbot ihm sein Arzt, an den Schauplatz im Dschungel zurückzukehren. Robards schied aus und auch sein Komplize in Form eines zurückgebliebenen Handlangers, dargestellt von Mick Jagger, musste gestrichen werden, da Rockstar Jagger anderen Verpflichtungen nachgehen musste, unfähig zu warten, bis die Dreharbeiten weitergehen würden. Es dauerte lange, bis man einen Ersatz für Robards gefunden hatte: Klaus Kinski, der für Herzog schon drei Mal zuvor vor der Kamera gestanden hatte, sollte ihn ersetzen. Die Last der Träume ist allerdings kein Film über Kinski oder seine Eskapaden, um den Zuschauer bei Laune zu halten, im Gegenteil, denn dieser Aspekt, der in Werner Herzogs Dokumentation Mein liebster Feind ausführlich besprochen wird, wurde hier ausgespart. Stattdessen wird man ausführlich über die politischen Hintergründe unterrichtet, die dazu führten, dass der Dreh, der 1979 begonnen werden sollte, noch vor dem Einsatz Kinskis abgebrochen wurde.

Les Blank zeichnet die Schwierigkeiten nach, welche die Stämme des Amazonasgebietes Herzog bereiteten, was von Morddrohungen bis zum Niederbrennen der Hütte für die Crew reichte. Seine Dokumentation konzentriert sich auf diesen Umgang mit den Eigenheiten der fremden Kultur, mit der sich die Deutschen beschäftigen müssen und am Anfang scheint es tatsächlich so, als seien dies ihre größten Probleme, bis sie erkennen müssen, dass sie die Natur des Dschungels vielleicht überschätzt haben. Hier ist es nicht eine Figur in einem Film von Herzog, sondern Herzog selber, der gegen diese Natur kämpfen muss und wie in seinen Filmen sieht es oft so aus, als würde die Natur dieses Mal gewinnen.

Der Dreh zu Fitzcarraldo ist deshalb so außergewöhnlich, weil all das, was man sieht Realität ist und der Begriff „Film“ als Bezeichnung für das Fantastische, das Irreale, das man auf der Leinwand zu sehen bekommt, ad absurdum geführt wird. All das, was auf Zelluloid gebannt wird, hat tatsächlich stattgefunden. Es ist kein Special-effekt, der den Dampfer über den Berg zieht, sondern es sind diese Ureinwohner des Dschungels, die um ihr Leben fürchten, weil jeden Moment etwas schief gehen könnte. Das sind die Unternehmungen eines Wahnsinnigen, wie sich der Regisseur selber bezeichnet, der alles für seinen Film gibt, nur weil er sich damit von der Last seiner Träume befreien kann. Dafür muss man auch den Tod als Preis in Kauf nehmen.

Hier wird der Zuschauer Zeuge, wie hunderte Menschen ihr Leben riskieren, um die Visionen des Regisseurs umsetzen zu können. Schweiß, Blut und Tränen, aber absolute Hingabe, bei der nur das zählt, was letztendlich auf der Leinwand zu sehen ist – diese Obsession beschreibt der Film nüchtern, ohne Anekdoten, welche diese Hölle, die alle Beteiligten durchmachen mussten, weniger schlimm hätten erscheinen lassen. Da gibt es zwar die Prostituierten, die sich unter der Crew aufhalten, da gibt es aber auch den Verletzten und völlig entkräfteten Eingeborenen mit dem blutverschmierten Gesicht, der von Werner Herzog gesagt bekommt, er möge sich bitte waschen und Mittag essen gehen.

Burden of Dreams aber ist insgesamt ein Film über Obsessionen, der alle Hintergründe dieses wahnsinnigen Unternehmens aufzeigt und das einen an das Zitat von Friedrich Nietzsche denken lässt: Wer nur etwas über Musik weiß, der weiß auch darüber nichts. Beim Film ist es genauso und Les Blank hat das begriffen. Wenn man nur etwas über den Dreh selber weiß, hat man nichts begriffen. So beleuchtet Blank in seiner vorzüglichen Dokumentation all die Hintergründe, dringt in das Leben der Einwohner des Amazonas-Gebietes ein, um den Aufprall dieser Kulturen deutlich werden zu lassen, der wie alles andere auch, den Dreh beeinflusst hat. Fitzcarraldo heißt Leidenschaft für den Film, absolute Hingabe, wie sie in solcher Konsequenz nur selten eingegangen wird. Ein wahnsinniges Projekt. Auch das fängt Les Blanks Werk gut ein.



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von 10