Nachhilfe von John Cusack
Es ist eines dieser typischen Interviews mit Prominenten, die gerade einen Film herausgebracht haben – zumindest sollte es so eines werden. John Cusack sitzt vor einem schwarzen Hintergrund, rechts von ihm das Filmplakat zu „Grace is Gone“ aus dem Jahr 2007. Er langweilt sich ein wenig, man sieht es an seinem unmotivierten Gesichtsausdruck. Er hat diese ganze Fragerei von Reportern satt, am liebsten würde er jetzt nach Hause gehen und sich aufs Sofa legen, um seine müden Augen zu schonen. In diesem Moment betritt eine junge Blondine den kleinen Raum. „Nice to meet you.“, sagt sie und nimmt gegenüber von Cusack Platz. Dieser ist noch immer wenig begeistert. Für dieses Interview schwänze sie extra ihren Filmkurs in der Universität, sagt die Blondine, unabhängig davon, ob es ihr Gegenüber interessiert oder nicht. Tut es nicht. „Aha.“, erwidert dieser. Das sei lustig, plappert der Fanboy weiter, denn gerade heute würde ihre Klasse „American Beauty“ schauen und analysieren. Cusack schaut ein wenig verwirrt, jetzt scheint er langsam wach zu werden. „Was ist so lustig daran?“. „Na, sie spielen da mit.“ Das Video zu diesem misslungenen Interview bzw. dem Versuch zu einem Interview erfreut sich auf Youtube großer Beliebtheit, weil es zeigt, wie eine junge Studentin sich bis auf die Knochen blamiert. Man könnte nun zur Aufklärung sagen, dass John Cusack keinesfalls in „American Beauty“ mitspielt, sondern sein Kollege Kevin Spacey. Das „könnte“ man sagen, wenn man es müsste. Muss man hier natürlich nicht. Das weiß ja schließlich jeder.
„Nein.“, beteuert Cusack. „Sind sie sicher?“ „Ja!“ „Kein Witz?“ „Ich schwöre zu Gott!“ „Oh mein Gott…“. Nachdem der Hollywoodstar dreimal beschworen hat, dass er in diesem modernen Klassiker nicht mitspielt, knickt die Studentin endlich ein – und wirft für den Zuschauer viele Fragen auf. Man könnte fragen, ob sie „American Beauty“ überhaupt schon einmal gesehen hat. Wenn ja, wie sie auf die Idee kommt, John Cusack spiele dort mit. Man könnte fragen, weshalb sie sich für dieses Interview gemeldet hat, wenn sie sich mit der Karriere ihres Gesprächspartners gar nicht auskennt. Man könnte all das fragen – aber eigentlich zählt nur die Antwort zu einer ganz bestimmten Frage: Was zur Hölle ist los mit amerikanischen Universitäten? Ich bin mir nicht sicher, wie es dort mit dem Numerus Clausus gehandhabt wird, aber ist es nicht erstaunlich, dass junge Damen dort problemlos Zutritt haben, die nicht nur John Cusack und Kevin Spacey nicht auseinanderhalten können, noch sich vor einem Interview genügend über ihren Partner informieren? Außerdem wäre es durchaus von Interesse, zu erfahren, in welchem Semester sich die Blondine befand, als sie das Interview versemmelte, um feststellen zu können, wie schlecht ihre Universität wirklich ist und wie wenig sie auf den Ernst des Lebens vorbereitet wurde. John Cusack war nach diesem kurzen Gespräch jedenfalls wieder wach.
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