(„Jack Goes Boating“ directed by Philip Seymour Hoffman, 2010)
„I knew you’d be good.“
„I’m for you.“
Als dem deutschen Filmverleih der germanische Wortschatz ausging, tauften sie „Jack Goes Boating“ für die Kinoauswertung in Deutschland um in Jack in Love. Das ist nicht nur unfreiwillig komisch, sondern auch das Regiedebüt des Schauspielers Philip Seymour Hoffman, der spätestens mit seinem Oscar für Capote unter den amerikanischen Topstars im Filmgeschäft angekommen war und sich noch heute gerne mit eher kleineren Projekten beschäftigt, bei denen er in seiner ruhigen Art und der zurückhaltenden Mimik Charakterstudien betreiben kann. Das tut er auch in Jack Goes Boating als schüchterner, blonder Single Anfang 40, der sich seinen Lebensunterhalt in New York als Chauffeur von Besserverdienenden in Limousinen erarbeitet.
Erfahrungen mit Frauen hat er nur wenig bis gar keine, seine freie Zeit verbringt er mit dem Hören von Boney M oder damit, mit seinen besten Freunden Clyde (John Ortiz) und Lucy (Daphne Rubin-Vega), dessen Frau abzuhängen, ab und zu einen Joint rauchend. Eines Tages lernt er beim Essen mit seinen Freunden Connie (Amy Ryan) kennen, die mit Lucy in einer Firma als Telefonistin arbeitet. Es dauert nicht lange, da hat sich Jack in seine neue Bekanntschaft verliebt, die ihm sogleich mitteilt, dass sie im Sommer mit einem Boot auf einem See fahren wolle. Jack spürt in diesem Bekenntnis seine Chance und da er nicht schwimmen kann, nimmt er bei seinem Freund Clyde Unterricht. Langsam nähern sich der Chauffeur und die Telefonistin immer mehr aneinander an, was schließlich im Versprechen Jacks resultiert, für sie ein Abendessen zu kochen. Doch der Weg für das angehende Paar ist noch lang, hart und steinig, bis sie zueinander finden können – oder wird das ein unerfüllbarer Traum bleiben?
Unabhängig von der generellen Qualität des Films ist das keine Zusammenfassung, die einen besonders neugierig auf den Film macht, geschweige denn mit einer originellen Liebesgeschichte aufwartet, die nicht schon in ähnlicher Form hunderte Male zuvor auf der Leinwand zelebriert wurde. Habe ich Recht? Die Liebesgeschichte ist in der Tat an für sich denkbar uninteressant, doch das ist auch nicht die Prämisse, unter der man sich dieses sensible Werk ansehen sollte. Es geht hier in erster Linie nicht um die sich entwickelnde Beziehung zwischen Jack und Connie, sondern das Drehbuch, das auf einem Theaterstück von Bob Glaudini basiert, ist ein reines vier Personen-Stück, in dem keiner der Charaktere auswechselbar oder zu vernachlässigen ist. Da geschieht es, dass die Romanze zwischen Jack und der Telefonistin in den Hintergrund rückt, um sich mit den Träumen der Chauffeure zu beschäftigen, um sich um die Probleme in der Beziehung zwischen Clyde und Lucy zu kümmern, ehe sich der Fokus langsam wieder verschiebt und genau das ist das Konzept dieses anrührenden Beziehungsdramas. Bei Gaudini geht es um die Beschäftigung, wie sich Jacks Sicht auf Connie, Beziehungen und Liebe allgemein aufgrund der aufkeimenden Probleme und Versöhnungen seiner Freunde verändert, weil er noch unsicher ist, erst noch Erfahrungen sammeln muss und einen Halt sucht, der in der Welt, in der er sich befindet, jedoch nicht vorhanden ist.
Dafür sprechen die Zwischenfälle, die er durchleiden muss und die ihn mehr mitnehmen, als man es vielleicht erwarten würde, da sie ihn nicht direkt betreffen. Eines Tages wird beispielsweise Connie in der Straßenbahn zusammengeschlagen und in ein Krankenhaus eingeliefert. Jack fühlt sich unwohl in dem fast leeren Wartesaal, so wie wir es alle tun würden, doch seine Angst stammt nicht vom Warten, sondern vom Ankommen, er fürchtet das nahende Zusammentreffen mit Connie, der er einen Stoffkoala gekauft hat. In diesem Moment ist niemand da, der ihm Halt geben kann, bis er erkennen muss, dass es Connie selbst ist, die Person, vor der er in diesen Augenblicken am meisten Angst hat, die ihm ein Gefühl der Vertrautheit und Wärme geben kann, was all seine Sorgen vergessen macht.
Dann ist da der Seitensprung in der Beziehung seiner Freunde, der ihn betroffen und verlegen macht, mit dem er nicht umgehen kann – stattdessen flüchtet er sich lieber in seine eigenen Probleme, in das Vorbereiten eines Dinners für seine geliebte Connie in Erwartung eines großen Abends, den er ausführlich vorbereitet. Jack und Connie gehören zusammen, weil beide dem anderen etwas geben können, was sie bisher vermisst haben. Für sie, so beichtet Connie, habe noch nie ein Mann gekocht. Jack wiederum braucht diese Vertrautheit in den Momenten der zärtlichen, zerbrechlichen Zwischenmenschlichkeit, die in eine der stärksten Szenen resultiert, in denen der Chauffeur in intimen Kontakt mit seiner neuen Liebe gerät, eine Schilderung voller unangenehmer Sensibilität für Jack.
Das größte Problem dieses nicht uninteressanten Werks von Seymour Hoffman ist dabei jedoch die selektive Empathie, die er an den Tag legt und die zu oft den Eindruck erweckt, die Charaktere nicht genügend ernst zu nehmen. In schlechtem Timing wird über den anscheinend tragikomischen Tod von Connies Vater gelacht, das Leiden dieser zerbrechlichen Frau aufgrund der Gewalttat, bei der sie zusammengeschlagen wird, verkommt zu einem fragwürdigen Akt der misslungenen und unangemessenen Komödie, wie ein unpassender Fremdkörper in diesem ansonsten so zartfühlenden Drama wirkend. Andererseits zerfließt Jack Goes Boating wiederum in Mitleid für den 40-jährigen Limousinen-Fahrer, der im kalten New York wehmütig zusehen muss, wie seine wohlhabenden Kunden ihr Geld zum Fenster hinausschmeißen, untermalt von sentimental-süffiger Popmusik.
Seymour Hoffman selbst scheint dabei jedoch wie für diese Rolle geboren und war durch die Tatsache, dass er den Charakter zuvor bereits auf der Theaterbühne gespielt hatte, bestens vorbereitet und vermag somit – ironischerweise – dem generell doch eher passiven Jack Leben einzuhauchen. Auch wenn das Regiedebüt des Amerikaners teils etwas zäh erscheint, werden einem zahlreiche interessante Beobachtungen serviert – vorausgesetzt man schaut den Film unter den richtigen Voraussetzungen im Bewusstsein des Konzepts, sich darüber im Klaren seiend, dass sich eine Beziehung immer um mehr als nur um zwei Personen dreht.
Jack in Love erscheint am 8. Juli auf Blu Ray und DVD
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