Lang lebe Ned Devine

Lang lebe Ned Devine!

(„Waking Ned“ directed by Kirk Jones, 1998)

“We find the winner and make sure we are their best friend when they cash the cheque.”

Alles beginnt mit einem Lotteriegewinn – oder auch nicht. Am Abend sitzt Jackie (Ian Bannen) vor dem Fernseher und verfolgt die Lottoziehung mit. Während seine Frau in der Küche sitzt und zu Abend isst, muss ihr Mann feststellen, dass er wieder einmal nichts gewonnen hat – auch seinem besten Freund Michael (David Kelly) geht es in dieser Hinsicht nicht viel besser, dabei hätten sich beide über ein Stück vom Kuchen sehr gefreut. Stattdessen gehen sie sich weiterhin ihren Träumen nach und haben das große Geld schon längst abgeschrieben, als Michael eine Annonce in der Zeitung findet, welche besagt, dass sich ein frisch gebackener Lottogewinner in ihrem kleinen Dorf – bestehend aus 52 Einwohnern – befindet. Fieberhaft machen sich die beiden auf die Suche nach dem oder der Glücklichen, doch das entpuppt sich als schwieriger als gedacht. Innerhalb der nächsten Tage müssen sie feststellen, dass es für die Menschen tatsächlich noch andere Gründe zum Glücklich sein gibt als lediglich der schnöde Mammon, der hier gar keinen zu interessieren scheint.

Nach einer ermüdenden Expedition kann Jackie jedoch schließlich den Mann ausfindig machen, dem der Lottogewinn gehört. Doch wie sich herausstellen soll, weilt dieser gar nicht mehr unter den Lebenden. Jackie entdeckt Ned Devine in seinem Haus vor dem Fernseher – tot, mit dem Lottoschein in der Hand. Zunächst gibt es für den Iren Jackie überhaupt keinen Zweifel daran, dass die Lottobehörde vom Tod Neds benachrichtigt werden muss, doch bald ändert er seine Meinung. Zusammen mit seinem Freund Michael will er das Geld für sich beanspruchen. Sie melden sich, Michael gibt sich als Lottogewinner Ned Devine aus und bald steht der Geschäftsmann vor der Haustür, der den Papierkram erledigen lässt, welcher für die Auszahlung nötig ist. Der Schock ist groß als man schließlich erfährt, dass es sich bei der Gewinnsumme nicht lediglich um eine halbe Million, sondern um fast sieben Millionen Pfund handelt. Das Gewissen macht den beiden alten Männern zu schaffen und so entschließen sie sich ihren Plan zu ändern – und auch das wird schwieriger, als gedacht.

Waking Ned Devine“ erzählt streng genommen zwei Geschichten, die erst gegen Ende – im Stile von Woody Allens „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ – mehr oder weniger miteinander verknüpft werden. Neben der dominierenden Story um den Lottogewinner Ned Devine wird der innere Kampf von Maggie (Susan Lynch) geschildert, die sich zwischen zwei Männern entscheiden muss. Auf der einen Seite hat sie sich in Finn (James Nesbitt) verliebt, doch da dieser nach Schweinen riecht, fühlt sie sich auch zu einem anderen Mitbewerber hingezogen. Aufgrund der viel Raum einnehmenden Schilderung der Lottobetrüger zieht die Geschichte um Maggie notgedrungen den Kürzeren und wird – so scheint es – nur ab und zu als Pausenfüller zwischen die Szenen gedrückt.

Das mag ungeschickter klingen, als es Regisseur und Drehbuchautor Kirk Jones letztlich gelungen ist, denn beide Handlungsstränge weisen dieselbe Art des absurden Humors auf, der so wunderbar in die ländliche Idylle Irlands zu passen scheint und in der eine junge Frau sich weigert, den Mann zu heiraten, der um ihre Hand anhält, nur weil dieser nach Schweinen riecht. Jones ist gut daran, das Leben in diesem kleinen und doch nicht so friedlichen Dorf mit all seinen Einwohnern und deren Macken zu beschreiben. Daraus entwickelt sich eine akkurate Zeichnung des Lebens in dieser Umgebung, der man den typischen Charme des Ländlichen nicht absprechen kann.

Zu dieser Beschreibung der Menschen und ihrer Umgebung gehört auch – und wahrscheinlich ist es, was diesen Charme erst ausmacht – dass die Figuren als runde, vielseitige Charaktere vorgestellt werden, als Menschen mit Stärken und Schwächen. So sind die beiden Rentner, die das Geld Ned Devines ergaunern wollen, nicht etwas bloß gierige Egoisten, welche die Falschheit der menschlichen Natur darstellen, in dem sie sich an eine jede Person anbiedern, von denen sie sich Geld erhoffen. Sie sind auch Suchende, die entfliehen wollen, sie haben Gefühle und ein Gewissen, das ihnen zu schaffen macht. Das verführt sie letztlich zu ihrem endgültigen Plan, mit dem sie sich versuchen reinzuwaschen und erst diese Einsicht, diese Ehrlichkeit zu sich selbst ermöglicht diese feinfühlige Geschichte, die berührt und warmherzig ist, wenn sie auch am Ende etwas arg gefällig zu werden droht. Das Überraschende ist zudem, dass dieser Film, dessen Handlung allen Anlass dazu gebe, trotz des gegebenen schwarzen Humors nie ins Geschmacklose abdriftet, sieht man von einer makabren Szene ab, in der dem toten Ned ein natürlicher Gesichtsausdruck wiederhergestellt werden soll.

Waking Ned Devine verfügt über genügend erfrischende Ideen, um bestens unterhalten zu können. Überdies bietet der Stoff mehr als dies und erweist sich als wunderschöne Beschäftigung mit Freundschaft, Moral, Liebe und dem Kampf mit dem eigenen Gewissen, in der sowohl Gefühl, als auch Komik nicht zu kurz kommen, wobei letzteres allen voran einem großartigen David Kelly zu verdanken ist, der in dieser Groteske zu Hochform aufläuft und diesen Überraschungshit, gedreht auf der Isle of Man, allemal sehenswert macht. Bezaubernd.



(Anzeige)

9
von 10