Geständnisse - Confessions

Geständnisse – Confessions

(„告白“ directed by Tetsuya Nakashima, 2010)

Mit Chan-wook Parks Oldboy und Lady Vengeance hielt der kunstvolle Rachethriller Einzug in die hiesigen Arthouse Kinos. Tetsuya Nakashima ist nun mit „Geständnisse“ eine extrem facettenreiche Variation des Themas gelungen, die zeigt, dass die Macht des gesprochenen Wortes gefährlicher sein kann, als die eines Hammers, Messers oder einer Schusswaffe. „Geständnisse“ ist aber auch ein kritischer und niederschmetternder Blick auf die heutige Gesellschaft – nicht nur auf die japanische.

Inmitten ihrer Klasse wirkt die junge Lehrerin Moriguchi (Takako Matsu) zunächst ein wenig verloren. Während ihre Schüler offen ihr Desinteresse bekunden, sich gegenseitig mit Papierkugeln bewerfen und schubsen, den Unterricht verlassen oder einfach nur Musik hören, erzählt Moriguchi mit ruhiger und fester Stimme vom Verlust ihrer kleinen Tochter. Dann die Anklage, dass zwei der Schüler am Tod des Mädchens schuld seien. Die entstandene Verunsicherung schlägt in Panik um, als Moriguchi verkündet, dass sie den Mördern ihrer Tochter HIV-infiziertes Blut in die Milch gemischt habe. Was folgt, ist eine Spirale aus Angst, Paranoia und Aggression, von der so ziemlich jeder erfasst wird. Denn als unschuldig wird sich kaum jemand erweisen, als Opfer jedoch viele. Und das Geräusch, dass etwas Wichtiges für immer verschwindet, werden sie alle vernehmen.

Regisseur Tetsuya Nakashima, der sich bislang einen Namen durch farbenfrohe Komödien mit Musicaleinschlag (Memories of Matsuko) gemacht hat, zeichnet mit Geständnisse ein düsteres und nihilistisches Gesellschaftsbild, bei dem es letztendlich weniger um Rache, als um Verantwortung sowie Kritik an familiärer und schulischer Erziehung geht. Kurosawas Rashomon nicht unähnlich, nähert sich Nashima der Wahrheit durch verschiedene Erzählperspektiven und lässt die Täter mit jedem Geständnis mehr als Opfer erscheinen. Ihr Wunsch, von der Welt der Erwachsenen wahrgenommen zu werden, treibt die Schüler zu immer drastischeren Mitteln. Aus einem Website-Posting für die eigene Erfindung wird aufgrund mangelnder Besucherzahlen eine Seite mit Bildern von Tötungsmaschinen und Todesopfern.

Bilder aus der Erwachsenenwelt. In einer höchst anrührenden Szene werden diese Diskrepanz und die damit verbundene Tragik durch die Unterlegung von Kindermusik und Slapstickgeräuschen spürbar gemacht. Kinder, die nicht mehr wirklich wie Kinder handeln, die jedoch durch das Jugendstrafrecht vor härterer Strafe geschützt sind. Und eben dieses Gesetz entpuppt sich als verhängnisvoll für das Leben der Schüler. Problematiken der Rechtssprechung, die Unfähigkeit von Erziehungsinstanzen, Mobbing, Medienkritik und Machtmissbrauch sind nur ein paar der Themen, die Nakashima für seinen Film aufgreift. Dies ist ambitioniert, doch zugleich auch der Wermutstropfen des Ganzen. Vieles kratzt bei so viel Vielschichtigkeit lediglich an der Oberfläche oder bleibt für den Rezipienten nicht recht nachvollziehbar. Dennoch, was bleibt, ist eine der spannendsten Veröffentlichungen der letzten Zeit, die mit ihrer expressionistischen Bilderwucht, ihren gepeinigten Charakteren und einem u.a. von Radiohead gestalteten Soundtrack noch lange in Erinnerung bleiben wird.



(Anzeige)