(„Pater Brown“, TV-Serie, 1972)
Wir Deutschen mögen Pfarrer Braun – oder Pater Brown, wie er von seinem englischen Schöpfer Gilbert Keith Chesterton getauft wurde. Heinz Rühmann ermittelte in den frühen 60er Jahren zweimal als heimlicher Detektiv, ehe er mit einem vollkommen missglückten Die Abenteuer des Kardinal Brown in den Ruhestand geschickt wurde. Im neuen Jahrtausend übernahm Ottfried Fischer die Kutte, um für die ARD ein paar gemütliche Fälle zu lösen, die ihm gerade vor die Füße fielen. In die Mitte dieser zwei Darsteller reiht sich Josef Meinrad ein, der den Pfarrer von 1966 bis 1972 spielte. Jede Episode dauert dabei 25 Minuten und die komplette Serie wurde nun von Pidax-Film auf DVD veröffentlicht. Mit der dritten Volume ist die Reihe nun komplett und der abschließende Teil soll nun hier einem genaueren Blick standhalten.
Oder kann sie das gar nicht? Ist Pater Brown zu schlecht gealtert, zu angestaubt oder war diese Serie niemals besonders gut? Die Konzeption dieser Figur für diese deutsche Fernsehserie mutet zunächst etwas befremdlich an. Nicht, dass Meinrad nicht die Aura und das Charisma hätte, um solch eine Rolle auszufüllen (denn das ist das, was man ihm am wenigsten vorwerfen kann), doch wird hier nur zu gerne bewusst oder unbewusst die Grenze zur Satire überschritten, die sich längst jenseits der Glaubwürdigkeit bewegt. Können Sie sich einen Pfarrer vorstellen, der bei Konflikten auf einer Baustelle seine Hilfe bei einem Mordfall anbietet, obwohl noch gar kein Mord stattgefunden hat und der deswegen in einem Anfall von makabrem Schalk fast für einen Mord betet, nur damit er seinen Gelüsten frönen kann, indem er ein solches Verbrechen aufklären kann? Sie können sich keinen Pfarrer vorstellen, der derart geil auf einen Mord ist? Dann könnten sie mit Josef Meinrads Version des Pater Brown durchaus ihre Probleme bekommen. Der ist nämlich ganz versessen auf Kriminalfälle, anstatt sich angenehm zurückzuhalten wie Heinz Rühmann oder die originale Romanfigur des G.K. Chesterton. Nein, Meinrad mischt sich überall ein. Daran muss man sich vielleicht erst gewöhnen.
Ein weiterer Umstand, über den man sich wohl erst klar werden muss ist die Frage, in welcher Zeit diese Pater Brown-Adaptionen nun eigentlich spielen. Andererseits, weshalb sollte sich der Zuschauer darum Gedanken machen, wenn nicht einmal Drehbuchautor und Regisseur sich darum gekümmert haben, denn zu den Kostümen und Ausstattungen aus den 1920er Jahren gesellt sich Easy Listening-Musik, die in einer Bar erklingt und ihren Ursprung nur in den 60ern gefunden haben kann und aus einem antiken Grammophon ertönt in der Tat ein schnulziger Schlager, der als Deutschlands Beitrag für den Eurovision Song Contest in den späten 60ern gelten könnte. Es ist müßig, sich über die Musikbegleitung in dieser Fernsehserie auszulassen, doch immerhin trägt sie viel zur unfreiwilligen Komik dieser Kammerstücke bei. Vor allem, wenn das Herannahen eines kleinwüchsigen Mannes mit comicartigen Mickey Mouse-Klängen karikiert wird und der Gnom auf wenig subtile Weise und ohne Anlass diskriminierend ins Lächerliche verzerrt wird.
Diese unfreiwillige Komik findet ihren zweifelhaften Klimax in der Folge Der Unsichtbare, eine Folge, die nur unter dem Einfluss von starken Rauschmitteln entstanden sein kann, denn nach einem Setting der 20er Jahre wird der Zuschauer eingeführt in eine Welt von Robotern, die als stumme Diener und in mechanischem Sprechgesang ihrem Herren und Erfinder jeden Wunsch erfüllen – und schließlich à la H. G. Wells in einer gar dystopischen Wendung umbringen. Ja, Pater Brown ist – wie Sie gemerkt haben – unterhaltsam und immer interessant. Ein weiteres Problem dieser fast schon antiken – aber immerhin in Farbe gedrehten – Serie ist, wie auch im Falle von Miss Molly Mill, die Laufzeit von gerade einmal 25 Minuten, in der kaum Zeit bleibt, in Charaktere einzuführen, um die Episoden zu einem befriedigen, allumfassenden Schluss zu bringen. Nach einer kurzen Einleitung in die Geschichte geschieht ein Verbrechen, Pater Brown beginnt zu ermitteln, um schließlich nach einer sehr kurzen Untersuchung den Täter zu entlarven. Dass die Ermittlungen dabei sehr kurz ausfallen müssen, ist ein unangenehmer Nebeneffekt, denn bei nur 25 Minuten erweisen sich Mordmethode und Hinweise als arg simpel gestrickt, im schlimmsten Fall Groschenroman-Niveau erreichend.
Zudem wird der Zuschauer in eine Generation von Schauspielern eingeführt, die heute wohl nicht mehr existiert. Da in jenen gar goldenen Zeiten die deutschen Volksschauspieler bühnentrainiert waren und nicht selten ihren Ursprung auf den Brettern dieses Landes fanden, erweist sich ihre oftmals übertriebene Intonation als für ein Fernsehspiel durchaus ungewöhnlich. Das kann man mögen, das kann man auch als steif und unpassend empfinden. Letztlich ist es jedoch keine Frage der Toleranz, sondern eine Frage der Generationen, der man in einigen Fällen zwar ein wenig überzeugendes Schauspiel vorwerfen kann, nicht aber ihre klassische Bühnenausbildung mitsamt all dem, was auf dem Fernsehbildschirm für junge Augen vielleicht befremdlich anmuten mag. Die Edition von Pidax Film ist bei allen Schwächen, die diese Serie haben mag, durchaus erfreulich, da mit einer sehr guten Ton- und Bildqualität mit kräftigen Farben aufwartend. Als kleiner, kurzweiliger Snack für zwischendurch ist Pater Brown durchaus vergnüglich – sofern man keine hochkomplexen, anspruchsvollen Tatvorgänge erwartet.
Pater Brown Staffel 3 ist seit 1. Juli auf DVD erhältlich
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