Saboteure

Saboteure

(„Saboteur“ directed by Alfred Hitchcock, 1942)

”I’m afraid we’re not behaving very well.”

“What’s the difference, we’re not invited anyway.”

Filme, die nicht als Thriller konzipiert waren, so wie Waltzes in Vienna oder Mr. And Mrs. Smith wurden von ihrem Regisseur Alfred Hitchcock als reine Zeitverschwendung angesehen. Er sei nur an der Suspense interessiert, sagte er einmal zu Francois Truffaut, er würde praktisch ein und denselben Film immer wieder machen, um sich immer verbessern zu können. Vielleicht sieht man das an keinem Film besser als an „Saboteure“, einen der ersten Thriller Hitchcocks, die in den Vereinigten Staaten entstanden und für den er bereits ein Erfolgsrezept anwandte, das er noch Dutzende Male in seiner Karriere konsultieren sollte, dabei immer versuchend, eben jenes noch zu verbessern. Saboteure wirkt daher teilweise wie eine überfrachtete Aneinanderreihung von Formeln und Begebenheiten, die man – hat man einige der später entstandenen Filme des Regisseurs bereits gesehen – schon zur Genüge kennt. So bietet dieses, 1942 entstandene  Werk dem Interessierten kaum etwas Neues. Im Gegenteil: kennt man den Großteil der nachher entstandenen Thriller, wird man sich wohl eher langweilen oder teilweise amüsiert schmunzeln und feststellen, dass man eigentlich all das, was Hitchcock einem serviert, schon kennt – und oft in besserer Inszenierung schon gesehen hat.

Alles an Saboteure ist typisch für Hitchcock – auch der Plot, denn es geht, wie so oft, um einen Unschuldigen, der verzweifelt versucht, den wahren Schuldigen zu finden, um die Polizei auf seine Seite zu stellen. In diesem Fall ist es der Fabrikarbeiter Barry (Robert Cummings), der in Zeiten des Zweiten Weltkrieges an Flugzeugen arbeitet, mit denen sein Heimatland gegen Deutschland kämpfen soll. Eines Tages bricht ein Feuer in der Fabrikhalle aus, während die Arbeiter in der Pause sitzen. Zusammen mit einem Freund und einem mysteriösen Unbekannten, stürzt sich Barry in die Feuerbrunst, um eben jene zu löschen. Da passiert es, dass sein bester Freund ums Leben kennt, weil, wie sich später herausstellen soll, Gas in dem Feuerlöscher enthalten war, den Barry seinem verblichenen Kumpel gegeben hat. Nun befindet sich unser Held in einer Bredouille, denn natürlich ist er unschuldig und natürlich glaubt ihm niemand. Die Polizei ist ihm bald auf den Fersen und wie in dem später entstandenen, leichtfüßigen Meisterwerk North by Northwest beginnt für den gejagten Fabrikarbeiter eine abenteuerliche Odyssee durch das ganze Land. Fieberhaft versucht er, den Mann zu finden, der mit ihm und seinem verstorbenen Freund in der Feuerhölle war und mit dem Tod des Arbeiters etwas zu tun haben muss.

Auf seinem Weg trifft Barry auf verschiedene Leute, die ihm mal mehr, mal weniger feindselig gegenübertreten. Eine dieser Personen ist Pat (Priscilla Lane), ein junges, attraktives Model, das den Flüchtenden zuerst an die Polizei verraten will, dann aber an seiner Seite auf die Suche nach den wahren Schuldigen geht, was in einem Klimax auf der Freiheitsstatue endet, auf den – und auch das ist typisch für Hitchcock – lange hingearbeitet wurde. Während wir all die lächerlichen Konstruktionen und Unglaubwürdigkeiten in North by Northwest geglaubt haben, fiel es mir hier wesentlich schwerer, dem Regisseur all das abzunehmen, was er mir auftischen will. Das mag daran liegen, dass sich der später entstandene Thriller mit Cary Grant von Beginn an als charmante Komödie entpuppte, während eben jenes Merkmal hier kaum ausgeprägt ist und der Humor eher deplatziert wirkt. Kurz gesagt: Saboteure kann es sich nicht erlauben, eine Unglaubwürdigkeit an die andere zu reihen. Man macht es trotzdem und an dieser Stelle ist dieser Thriller misslungen, denn wie Hitchcock später selber zugab, ist das Drehbuch gepflastert mit zahlreichen Ideen, von denen jede für sich genommen zwar recht reizvoll ist, aber als Ganzes zu konstruiert und zu wenig strukturiert wirkt, um glaubhaft zu sein.

Als Barry, von der Polizei gejagt, in die Holzhütte eines blinden Mannes flüchtet, ist dieser sofort im Stande, dessen Handschellen zu hören und binnen weniger Sekunden von der Unschuld des Flüchtenden überzeugt, während seine Nichte, das Model Pat, natürlich ganz anderer Ansicht ist und Barry auf eine falsche Fährte führt, um ihn der Polizei ausliefern zu können – bis sie sich naturgemäß wie in einer kitschigen Schmonzette in ihn verliebt. Auch das ist ein Baustein, den Hitchcock einflechten musste, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen, unabhängig davon, wie glaubwürdig dies nun sein mag. Zu den anderen Bausteinen, die einem aus anderen Filmen des Master Of Suspense bereits bekannt vorkommen dürften, gehören auch der alte Herr, der sich als überaus charmant und sympathisch erweist, sich dann aber als unangenehmer und mächtiger Gegenspieler zu erkennen gibt, die alte Jungfer als nervenaufreibende und ununterbrochen naiv plapperndes Klatschweib oder der Mann mittleren Alters, der sich in flapsigen Sprüchen über seine Frau beschwert. Und immer wieder gibt es die Hilfe von netten Menschen, die aus irgendeinem Grund von der Unschuld Barrys überzeugt sind und bereit sind, ihm zu helfen, sodass er sich aus jeder noch so gefährlichen Lage herauswinden kann.

All das wirkt ein wenig überstrapaziert und durch eine wenig passende humoristische Einlage in einem Zirkuswagen, in dem Barry unter anderem eine Frau mit Bart oder einen siamesischen Zwilling trifft, was dem Ganzen eine gar surrealistische Verzerrung zukommen lässt, wirkt Saboteure nur noch zusätzlich überfrachtet und vollgestopft, was teilweise so weit reicht, dass der erfahrene Zuschauer teilweise dazu in der Lage sein dürfte, die klischeehaften Dialoge auswendig mitzusagen – weil man sie in anderen (und besseren) Hitchcock-Filmen noch Dutzende Male in leicht variierter Form hören wird. Der Regisseur scheint sich hier zu sehr darauf verlassen zu haben, den Zuschauer schlicht zu unterhalten, ohne sich über Löcher oder fehlende Logik sowie Klischees und einer Überdosis an simplen Zufällen, welche die Erzählung erleichtern Gedanken zu machen. Weshalb nehmen die Gangster bereitwillig Barry als Bandenmitglied auf, obwohl sie sein Bild in der Zeitung gesehen und ihn als Widersacher erkannt haben müssen? Man weiß es nicht. „Saboteure“ mag für den Neuling, der noch nichts von Alfred Hitchcock kennt, recht amüsant sein, doch selbst in dem Fall sei der wesentlich gelungenere Verfolgungsthriller Die 39 Stufen als bessere Alternative empfohlen. Alle anderen wird Saboteure aufgrund seiner Unglaubwürdigkeit und der bereits bekannten Klischees schnell langweilen.



(Anzeige)

5
von 10