Der Windhund

Der Windhund

(„Flic ou voyou“ directed by Georges Lautner, 1979)

Antonio Cerutti (Jean-Paul Belmondo) ist ein seltsamer Typ, von dem man nicht sicher sein kann, ob man ihn sympathisch, lustig oder Furcht einflößend finden soll – denn eines ist der undurchschaubare Charmeur sicherlich: gefährlich. Der Grenzgänger war eine Paraderolle für Belmondo, stellenweise immer wieder an seinen äußerst beliebten Film Der Außenseiter erinnernd, und so präsentiert sich Georges Lautners Film als eine neue Variation auf letztgenannten Titel: immer wieder Belmondo, der sich über Regeln und Gesetze hinwegsetzt, obwohl er auf der guten Seite des Gesetzes stehen sollte. Doch wie so oft verschwimmen hier die Grenzen. Das ist zwar nichts Neues, aber immer noch erstaunlich unterhaltsam, und wenn sich der französische Schauspieler in einer Rolle besonders wohl gefühlt haben mag, so in der des stürmischen Kämpfers, der glaubt, das Recht für sich gepachtet zu haben – auch wenn er seine Gegner dabei ohne ein Wimpernzucken ins Jenseits befördert – mal auf grausame Art und Weise, mal kurz und schmerzlos.

Der Windhund ist dabei im Vergleich zum Außenseiter oder diversen ähnlich gelagerten Filmen deshalb interessant, weil Belmondo hier bevorzugt mit Demütigungen arbeitet und seine Gegner somit psychisch außer Gefecht setzt und sie der Lächerlichkeit preisgibt, wenn er den Drahtzieher, der für den Tod mehrerer Menschen verantwortlich ist, dazu bringt, sich vollständig zu entkleiden und anschließend in Paris spazieren zu gehen. Das alles mag so glaubwürdig sein wie eine tanzende Currywurst, ist aber auch ungeheuer unterhaltsam und wer in einem Film des französischen Superstars Glaubwürdigkeit erwartet, sollte darüber nachdenken, seine filmischen Interessen besser zu hinterfragen. Ob Cerutti der private Rächer ist, der den Tod seiner Schwester aufklären will, oder ein verdeckt ermittelnder Polizist, ist zunächst unklar – und es spielt auch eigentlich keine Rolle. Das ist hierbei auch eine der größten Stärken des Films, bei dem der Zuschauer das Puzzle erst nach und nach selber zusammensetzen muss, indem er beginnt, zusammenhängende Beziehungen zu verknüpfen – wer hat etwas mit den Morden zu tun, wer ist korrupt, wer spielt gegen wen?

Die Morde liegen noch nicht lange zurück, als Cerutti in die Stadt kommt, um den Ring des Verbrechens zu sprengen. Eine Prostituierte und ein Kommissar wurden eines Nachts erschossen in einem Motel aufgefunden und noch bevor die Polizei ihre Ermittlungen überhaupt beginnt, bricht der unverschämte Grenzgänger Cerutti mit seinem offenen, weißen Porsche in ein Wohnzimmer ein – bereit, alles zu geben, die Verbrechen so schnell wie möglich und so sauber wie möglich aufzuklären, mit den Methoden eines Mannes, der scheinbar nichts zu verlieren hat und alles riskiert. In all seiner Radikalität schreckt er nicht davor zurück, mutwillig die Büros seiner Gegenspieler zur Explosion zu bringen oder eine Kneipe mit Benzin zu übergießen. Es geht nicht um die Frage, was er damit bezwecken will, es geht nicht um seine Motivation, es geht schlicht und einfach um die Schönheit der Bilder, die gleißenden Flammen durch die Augen der Filmkamera zu sehen, den Zuschauer bei Laune zu halten und das gelingt ihm, trotz oder gerade wegen dieser Weigerung irgendetwas zu hinterfragen, ganz ausgezeichnet. Damit ist Der Windhund zwar ähnlich plakativ und vordergründig wie Transformers, schafft es aber auch, trotz des zwielichtigen Hauptcharakters, mit viel Charme aufzuwarten.

Dass eine runde, glaubwürdige Symbiose aus Thriller und Komödie nicht immer glückt, ist dabei entschuldbar, denn neben den kraftvollen Action-Sequenzen, wartet Der Windhund mit teils mehr, teils weniger subtilen komödiantischen Raffinessen auf, deren Highlight zweifellos Belmondos Fahrt im Fahrschulwagen sein dürfte und wo das Tischgespräch der zusammengewürfelten Kurzzeitfamilie mit dem kuriosen Aneinander-Vorbeireden in seiner Absurdität gar an Loriot erinnert. Lautners Werk ist kein besonders guter Film – allerdings erstaunlich kurzweilig, unterhaltsam, charmant und sehenswerter als der katastrophal wirre Puppenspieler, denn hier schafft man es glücklicherweise, dass sich der Handlungsstrang zwar auch erst nach und nach zusammensetzt, die Struktur aber nachvollziehbar und geordnet erscheint. Unverschämt unterhaltsam.

Der Windhund erscheint am 6. Oktober auf Blu Ray und DVD



(Anzeige)

7
von 10