(„Morte a Venezia“ directed by Luchino Visconti, 1971)
Luchino Viscontis kontrovers diskutierte Verfilmung der Novelle Der Tod in Venedig erzählt die Geschichte des alternden Künstlers Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde), der sich während eines Kur-Aufenthaltes in Venedig in den vierzehnjährigen Tadzio verliebt und schließlich einer Cholera- Epidemie erliegt. In Bezug auf den Hintergrund Aschenbachs änderte Visconti einige Handlungselemente – in der Novelle ist Aschenbach Schriftsteller, im Film Komponist; dadurch werden die Verbindungen zu Gustav Mahler, den sich auch Thomas Mann (zu einem gewissen Grad) zum Vorbild seines Protagonisten nahm, noch deutlicher. Außerdem fließen sogar einige Ereignisse aus der Biografie Mahlers in die Charakterzeichnung Aschenbachs mit ein (so z.B. der frühe Tod der Tochter).
Die in der Vorlage enthaltenen Reflexionen über Kunst verarbeitet Visconti in den Dialogen zwischen Alfred (Mark Burns) und Aschenbach, die ebenfalls in Form von Rückblenden in den Film eingefügt sind. Ansonsten richtet sich Visconti streng nach dem Handlungsaufbau der Novelle, welche nach den Grundsätzen einer klassischen Tragödie konzipiert ist.
Die zahlreichen mythologischen Anspielungen, die im Text als solche klar erkennbar sind (v.a. die „Todesboten“, d.h. der geschminkte alte Mann am Anfang, der rätselhafte Gondoliere, die Musikanten etc.), integriert der Regisseur ebenfalls in den Film, doch ist deren Verwurzelung in der griechischen Mythologie ohne Kenntnis der Vorlage kaum nachzuvollziehen; der Hauptgrund, warum der Film oftmals als „pädophiler Schund“ abgetan wird, besteht wohl in der Unkenntnis der Novelle Thomas Manns, deren Lektüre zum Verständnis des Films unerlässlich ist.
Die Kernthematik ist nämlich eine ganz andere – die Opposition zwischen Künstlertum und Gesellschaft; Aschenbach wird des wahrhaft Schönen in Gestalt Tadzios ansichtig und geht eben daran zu Grunde. Verstärkt wird diese Thematik durch die Tatsache, dass es sich bei dem Protagonisten um einen Künstler, dessen Streben, „Schönes“ zu schaffen, sich streng nach „Maß und Zahl“ (Notation) richtet, handelt und er nun mit einer Form von Schönheit, die nicht „erdacht“ (d.h. geistigen Ursprunges), sondern existent (und somit „aus sich selbst heraus“ schön) ist, konfrontiert wird; an diesem inneren Konflikt geht Aschenbach letzten Endes zu Grunde. Meines Erachtens gelingt es Visconti, diese Aspekte sehr gut herauszuarbeiten.
Auf filmischer Ebene bietet Der Tod in Venedig des Weiteren einen herausragend spielenden Dirk Bogarde, grandiose Innen- (die Szenen im Speisesaal und v.a. in der Kirche) und Außenaufnahmen (am Strand und in der Stadt) – hier beweist Visconti erneut, dass er der wahrscheinlich stilsicherste und bewussteste Regisseur seiner Generation war – und einen einzigartigen Score (v.a. das „Adagio“ aus Mahlers 5. Sinfonie), der die melancholische Grundstimmung des Films perfekt (im wahrsten Sinne des Wortes) unterstreicht.
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