(„Paul et Virginie“ directed by Pierre Gaspard-Huit, 1974)
Es sind Bilder wie aus einem Reisekatalog, wenn sich die grünen Palmblätter der azurblauen Insel Mauritius langsam im zarten Wind bewegen, auf dieser Insel, die zum Schauplatz einer jener poetischen Liebesgeschichten wird, wenn Paul sich der blonden Virginie für einen ersten Kuss nähert, ganz langsam, ganz behutsam, kaum spürbar und voll jugendlicher Unschuld. Bernardin de Saint Pierres literarische Schmonzette, die angeblich auf wahren Begebenheiten beruht, wurde 1974 für das französische Fernsehen in einer breit ausladenden Mini-Serie von 6 Teilen mit insgesamt rund 300 Minuten Laufzeit verfilmt. Paul und Virginie hat dabei ein bisschen von Allem: ein bisschen Familiengeschichte, ein bisschen Historie, aber vor allem Romantik vor dieser idyllischen Kulisse, in der alles beginnt.
1726 strandet dort die junge Marguerite mit einem Schiff der indischen Gesellschaft auf Mauritius, weil diese Flucht aus ihrer Heimat die einzige Möglichkeit für sie ist, der Scham zu entfliehen, nachdem sie einen Adligen heiraten wollte, der an dem Mädchen vom Lande nicht interessiert war. Sie ist jedoch nicht die Einzige, die sich auf Mauritius – mehr oder weniger freiwillig – niederlässt, denn auch Sophie und ihr Gatte haben sich auf diese Insel treiben lassen, nachdem die adlige Sophie vom Zorn ihrer Eltern heimgesucht wurde, da sie einen Mann geheiratet hatte, der ihnen als nicht standesgemäß erschien. Das Glück der Beiden ist kurz, Sophies Ehemann muss bald auf eine Seereise, von der er lebendig nicht mehr zurückkehren soll. Es scheint unausweichlich, dass sich die beiden einsamen jungen Frauen vor diesem Postkartenpanorama begegnen und sich anfreunden – zu diesem Zeitpunkt bekommt Marguerite ihr erstes Kind, das sie Paul nennen lässt.
Wenig später erhält auch Sophie die Nachricht, dass sie schwanger ist. Nach neun Monaten gebärt sie Virginie, die zusammen mit Paul aufwächst. Als Teenager entstehen zwischen den beiden Kindern befreundeter Mütter erste zarte Gefühle füreinander, die sich bald noch verstärken sollen. Aus Paul und Virginie wird ein Liebespaar, deren Beziehung auf eine harte Probe gestellt wird, als Virginie zu ihrer Tante nach Frankreich verbannt wird. Paul muss schließlich ohne seine große Liebe auf Mauritius zurückbleiben. Wird es ein Wiedersehen geben? Werden beide wieder gemeinsam glücklich sein? Wird es ein Sieg für die Liebe? Was da so klingt wie ein Groschenroman, ist es in Wahrheit auch. Aber kann man ein schlechtes Wort über diese überaus kitschige Produktion verlieren, die mit derart viel Aufwand vor einer alles und jeden überstrahlenden Kulisse, mit aufwendigen Kostümen und liebevoll gestaltetem Set-Design, ausgestattet wurde?
Ich glaube nicht, denn abgesehen von dieser überaus aufwendigen Ausstattung ist Paul und Virginie als ideale Sonntag-Nachmittag Unterhaltung auch noch höchst unterhaltsam. Dafür ist diese Mini-Serie auch zu abwechslungsreich, um lange Weile aufkommen zu lassen, denn neben der Liebesgeschichte vor exotischer Kulisse, die ein wenig an Randall Kleisers trashigem 80er Jahre Kultfilm Die blaue Lagune erinnern mag, wird dem Zuschauer aus gegebenem Anlass ein Einblick in die fremden Kulturen jener Ära und jenes Ortes gewährt. Da geht es immer wieder um die Sklaven, die sträfliche Behandlung eben jener, das Auflehnen der Guten gegen die Bösen, der ewige Kampf der kleinen Bürger gegen die wohlhabenden Großherren – alles Themen, die man von einer historischen Mini-Serie erwartet und Paul und Virginie liefert brav all das und erfüllt damit noch mehr Ansprüche als hübsch auszusehen. Dieses Epos zu entdecken lohnt sich für alle Freunde romantischer Mini-Serien, wie Die Dornenvögel, allemal. Als Relikt vergessen zu werden, täte dieser Serie Unrecht, denn die Liebesgeschichte der Jugendlichen wird mit Respekt, in zarten und unschuldigen Blicken und Gesten, respektvoll geschildert – in schönen Bildern, dem 18. Jahrhundert liebevoll detailliert nachempfunden.
Paul und Virginie ist seit 28. Oktober auf DVD erhältlich
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