(„Senso“ directed by Luchino Visconti, 1954)
In Senso erzählt Visconti, basierend auf einer Erzählung Camillo Boitos, die tragische Liebesgeschichte zwischen einer venezianischen Gräfin und einem österreichischen Offizier vor dem Hintergrund des italienischen Befreiungskrieges im Jahre 1866.
In Venedig fordert der Freiheitskämpfer Marquis Roberto Ussoni den österreichischen Leutnant Franz Mahler (Farley Granger) während einer Opernaufführung zum Duell heraus. Die Gräfin Livia Serpieri (Alida Valli) bittet Mahler daraufhin, sich nicht mit ihrem Cousin zu duellieren. Während dieses Gesprächs entwickeln Livia und Franz, trotz ihrer konträren politischen Ansichten, eine Faszination füreinander und beginnen nach einem weiteren Treffen eine Affäre. Als es schließlich zum Krieg zwischen der italienischen Bevölkerung gegen die österreichischen Besatzer kommt, bittet Livia ihren Liebhaber, einen Arzt zu bestechen, um somit als für den Militärdienst untauglich eingestuft zu werden- Franz erfüllt Livia den Wunsch, gerät jedoch in den inneren Zwiespalt zwischen dem Gefühl der Verantwortung gegenüber seiner Heimat und seiner Liebe zu der Gräfin…
Alida Valli und Farley Granger verleihen den Hauptrollen des Kostüm- Dramas ein großes Charisma und harmonieren sowohl optisch als auch schauspielerisch miteinander. Der Score, Auszüge aus Bruckners 7. Sinfonie, unterstreicht die Tragik der Liebesgeschichte auf dezente, aber wirksame Weise und bildet eine hervorragende musikalische Ergänzung zu den beeindruckenden Aufnahmen der venezianischen Landschaft.
Wie in seinen späteren Filmen legt Visconti sehr viel Wert auf elegante Kostüme und opulente, prunkvolle Kulissen- doch Senso krankt eben daran, dass das Interieur und die Pappmaschee-Hausfassaden den Charme von Gelsenkirchener Barock versprühen und der Film daher nicht verbergen kann, dass der Zahn der Zeit Spuren an ihm hinterlassen hat. Außerdem erscheint die dargestellte Liebesgeschichte keinesfalls einfallsreich, lediglich das Ende verblüfft – angesichts des Alters des Films – durch seine Radikalität.
Dieses Werk lässt deutlich erkennen, dass Visconti an einem Scheidepunkt zwischen seiner neorealistischen Phase und seinem Spätwerk, das vor allem durch Stoffe, denen historische Begebenheiten zu Grunde liegen, geprägt ist, angelangt ist; Senso ist gar ein filmisches Dokument dieses Zwiespaltes: so drehte der Regisseur den Film einerseits Zweisprachig (italienisch und deutsch), um ein hohes Maß an Authentizität zu erreichen, doch andererseits entwickelt er seine Vorliebe für bildgewaltige Landschafts- und Bühnenbilder und die Darstellung der untergehenden Adelsschicht des 19. Jahrhunderts.
So gesehen ist Senso ein filmhistorisch durchaus bedeutendes Werk, das jedoch den heutigen Sehgewohnheiten nicht mehr standzuhalten vermag und daher zu den eher schwächeren Filmen Viscontis zählt.
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