(„Unterwegs in der Weltgeschichte“ directed by Gero von Boehm, 2011)
Mal ehrlich, werter Leser, was wissen Sie noch aus Ihrem Geschichtsunterricht? Wer setzte den Monotheismus im Alten Ägypten durch? Wer machte das Christentum zur römischen Staatsreligion? Und wieso gab es eigentlich den Dreißigjährigen Krieg? Wenn die Beantwortung dieser Fragen für Sie eine Leichtigkeit ist, können Sie hier getrost abbrechen und sich lieber wieder der Lektüre von Mommsen Römischer Geschichte widmen. Alle anderen finden jedoch mit der 6-teiligen Reihe Unterwegs in der Weltgeschichte von Gero von Boehm, präsentiert von Hape Kerkeling, einen guten Einstieg in die Welt der Geschichte.
Dem kundigen Zuschauer wird indes nicht entgehen, dass die Reihe einige inhaltliche Schwachpunkte besitzt. So wird – wie leider viel zu oft – vernachlässigt und geradezu unterschlagen, dass es eine ungeheuer lange Geschichte der Menschheit vor den Ägyptern und den Hochkulturen des Zweistromlandes gegeben hat. Die Ursprünge unserer heutigen Kultur liegen vielmehr dort und nicht in den relativ jungen und gesamtgeschichtlich eher marginalen Errungenschaften der antiken Hochkulturen. In diesem Sinne hätte ein einführender Teil, der diesen ältesten Teil der Menschheitsgeschichte beleuchtet, sicher gut getan. Natürlich, die Reihe, die in je 45 Minuten geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen ohne große Vorkenntnisse vermitteln will, kann nicht alle Details ausführen und neigt daher zur inhaltlichen und chronologischen Verallgemeinerung. Dies ist ihr jedoch nicht grundsätzlich anzukreiden, sondern stellt in den realisierten Teilen vielmehr eine Stärke des Konzepts dar. Problematischer ist da schon eher die unkritische Vermischung religiöser Schöpfungsmythen und wissenschaftlicher Geschichtsschreibung. Der Versuch, durch kurze Ausflüge nach China und Südamerika dem Ethnozentrismus entgegenzuwirken, wirkt auch mehr bemüht als dass er wirklich einen Unterschied macht. Da der Zuschauer aber wohl im zentralen Mitteleuropa zuhause ist und an seiner eigenen Kulturgeschichte interessiert ist, ist der Fokus auf mediterraner Antike und europäischer Geschichte nicht verwerflich. Trotzdem, Weltgeschichte ist es nicht wirklich. Letztlich wird außerdem auch hier Geschichte als die Geschichte großer Persönlichkeiten und als Weltpolitik erzählt; dass der Großteil der Bevölkerung damals und heute in gänzlich anderen Situationen lebte und von anderen Sorgen geplagt wurde, wird dabei unterschlagen. Das alltägliche Leben der Menschen kommt auch hier zu kurz.
Unter wissenschaftlicher Beratung der beiden Professoren Alexander Demandt und Stefan Weinfurter erhält der Zuschauer erste Einblicke in die frühen Hochkulturen, das Antike Griechenland und Römische Reich, um schließlich vom wechselvollen europäische Mittelalter, der Renaissance und der Neuzeit erzählt zu bekommen, nicht ohne die mittelalterliche Expansion auf andere Kontinente und die neuere Geschichte seit der Französischen Revolution zu tangieren. Von obig angesprochenen Einschränkungen abgesehen, ein durchaus runder Überblick. Zu loben sind die oft eingesetzten digitalen Rekonstruktionen der früheren Stadtansichten und historischen Szenerien sowie die ebenso oft zu sehenden Reenactment-Szenen. Kombiniert mit modernen Aufnahmen der heute noch zu sehenden Überreste der damaligen Schauplätze, wird die Brücke über die Jahrtausende geschlagen.
Bisher unterscheidet das Unterwegs in der Weltgeschichte nicht von anderen Produktionen ähnlicher Zielsetzung, doch an dieser Stelle muss natürlich der Unterschied zur Sprache kommen: Hape Kerkeling. Zwar wirken dessen gesprochene Texte vielleicht ein wenig zu auswendig gelernt, doch ist das Prinzip Hape auch in anderen Aspekten vertreten. Allen voran ist dabei die Kombination auf den ersten Blick unpassender zeitgenössischer Popmusik mit nachgestellten historischen Szenen zu nennen, von denen vielleicht Go West der Village People während der Entdeckungsfahrt des Christoph Kolumbus die einprägsamste ist. Auf diese Weise wird klar, dass die Motive und Empfindungen der historischen Akteure dieselben sind wie heute; dass der Unterschied zwischen damals und heute nicht so groß ist wie bisweilen vermutet wird. Auch Kerkelings Personifizierung verschiedener historischer Persönlichkeiten gehört zu diesem Aspekt. Das Prinzip Hape macht diese Dokumentationsreihe besonders und lässt zumindest hoffen, dass es die Teile der Bevölkerung vor den Fernseher lockt, die sonst keine trockene Geschichtsstunde ansehen würden – denn die mochten sie in der Schule schon nicht. Alle anderen sitzen ohnehin bereits in ihrem Sessel und wälzen den Mommsen, so dass die nicht zu übersehenden Schwachstellen der Produktion nicht allzu sehr ins Gewicht fallen dürften.
Unterwegs in der Weltgeschichte – mit Hape Kerkeling ist seit 16. Dezember auf DVD erhältlich
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