(„The Secret of Kells“, directed by Tomm Moore, 2009)
Wie tröstlich ein Ausflug in die Fantasie sein kann in Zeiten freudloser oder grausamer Realität, haben wir alle schon mal erlebt. Nicht umsonst heißt es, die Feder sei mächtiger als das Schwert. Dass ein Bilderbuch aber auch konkreten Schutz bedeutet, wenn mordlüsterne Wikinger vor der Tür stehen, lehrt uns Das Geheimnis von Kells.
Wem der Name Kells bekannt vorkommt, dürfte vermutlich entweder Irlandfan oder Theologe sein. Für alle anderen: Beim Book of Kells handelt es sich um ein Buch aus dem 9. Jahrhundert, das die vier Evangelien darstellt und für seine fast übertrieben verspielten Bilder bekannt ist. Aus Angst vor plündernden Wikingern wurde es seinerzeit aus Schottland nach Irland gebracht, wo es auch heute noch aufbewahrt wird – genauer im Trinity College in Dublin. Und in genau diese Zeit der Flucht versetzt uns Das Geheimnis von Kells.
Hauptfigur des Films ist der Waisenjunge Brendan, der in einem abgelegenen Kloster ein recht trübes Dasein fristet. Geradezu besessen von dem drohenden Angriff der Wikinger, zwingt Brendans Onkel Abt Cellach alle Klosterbewohner, einen mächtigen Schutzwall zu bauen. Andere, spaßigere und fantasievollere Aktivitäten sind verpönt – keine Zeit! Bis Bruder Aidan – ebenfalls auf der Flucht vor den Wikingern – zusammen mit dem schon damals legendären Bilderbuch und Katze Pangur Bán in Kells auftaucht. Brendan ist sofort fasziniert von den magischen Bildern und sammelt verbotenerweise im Wald Material für Aidan, wo er schließlich auf das Wolfsmädchen Aisling trifft. Der Beginn eines großen Abenteuers.
Faszinierend auch die Bilder, die das internationale Animationsteam beim Geheimnis von Kells auf die Leinwand gezaubert hat. Der Eingang zum Zauberwald ähnelt einer Kathedrale, der Wald selbst wirkt mit seinen vielen Details und den Rundungen wie eins der Bilder aus dem berühmten Buch. Ganz anders, als Brendan und Aisling bei ihrem Abenteuer die Unterwelt betreten und die Zeichnungen plötzlich sehr surreal werden. Und wenn am Ende die Wikinger doch noch ins Land einfallen, erscheinen sie so abstrakt, als stammten sie aus einem expressionistischen Gemälde. Und auch bei den Farben merkt man, wie viel Herzblut und Überlegungen in der filmischen Umsetzung steckt. Besonders empfehlenswert deshalb auch das Making-Of, das auf die Scheibe gepackt wurde und viele Hintergrundinformationen von Regisseur Tomm Moore bereithält.
Die Geschichte ist hingegen eher einfach gehalten und betont vor allem die Wichtigkeit von Hoffnung und Fantasie. Zwischendurch darf auch mal gelacht und gestaunt werden und die fast schon unverschämt niedliche Katze Pangur Bán sorgt dafür, dass auch jüngere Semester ihre Freude haben werden. Zu jung sollten sie aber nicht sein, da einige Bilder der Unterwelt und der Wikinger doch recht düster gehalten sind.
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