Der Spion der aus der Kälte kam

Der Spion, der aus der Kälte kam

(„The Spy Who Came in From The Cold“, directed by Martin Ritt, 1965)

Der Spion der aus der Kälte kamWenn die melancholische Klaviermusik über den kalten Bildern des Checkpoint Charlie erklingt, ist es der Soundtrack der Einsamkeit. Der britische Agent Alec Leamas steht bereits seit sehr langer Zeit in einem Wachhaus und beobachtet die triste Szenerie im Berlin des Kalten Krieges. Er ist ein Mann, der für seinen Beruf lebt. Wir wissen nicht, seit wann er bereits dort steht, seit wie vielen Tagen er sein Zuhause nicht mehr betreten hat, weil wir sein Zuhause nicht ein einziges Mal sehen. Über den undurchsichtigen Idealisten erfahren wir nichts. Seine Gesichtszüge verraten keine Gefühle – erst gegen Ende des Films scheint seine Maske zu fallen und erlaubt uns ungewollt einen Einblick in sein Innenleben, das er derart gut zu maskieren versteht und in Richard Burton sein passendes Alter Ego gefunden hat.

Nach der Vollendung seines Auftrages am Checkpoint Charlie weigert sich Leamas, einen Job am Schreibtisch anzunehmen – er will weiterhin in der Kälte bleiben. Der britische Geheimdienst, für den er arbeitet, entwickelt daraufhin einen Plan, den zuverlässigen Agenten für seine Zwecke einzuspannen und ihn auf eine Mission zu schicken, mit der Leamas seine Karriere krönen könnte: Um den Chef der Ost-Berliner Gegenspionage auszuschalten, wird Leamas scheinbar entlassen und findet als scheinbar depressiver Alkoholiker einen Job in einer Bibliothek, in der er die attraktive Nan (Claire Bloom) kennen lernt, mit der er bald eine Beziehung beginnt. Der Plan des Geheimdienstes scheint aufzugehen: Leamas wird bald von der Gegenseite als Überläufer angeheuert, um ihnen die Geheimnisse seines ehemaligen Arbeitgebers zu verraten. Auf diesem Wege lernt er seinen Gegenspieler kennen, den er nun zu Fall bringen muss. Doch die Operation ist komplizierter – und gefährlicher – als erwartet, muss er doch schließlich erfahren, dass ihn sein Arbeitgeber nicht über alle Details informiert hat…Der Spion der aus der Kälte kam Szene 1

Martin Ritts Verfilmung des populären Romans von John le Carré ist ein intelligenter Thriller, der seinen Zuschauer zwingt, ihn sich mindestens zweimal anzusehen – zu komplex sind die Hintergründe der Geschichte, in die sich Leamas verwickelt sieht. Welchen besseren Weg gibt es, den Konsumenten dazu zu bewegen, sich mit einem einzelnen Werk intensiver zu beschäftigen und es auf diese Weise erst schätzen zu lernen? Ritts Spionagefilm, der zu einem großen Teil wie ein Kammerspiel in eindringlichen Dialogen zwischen Freund und Feind funktioniert, zeichnet sich durch eine ganz ähnliche Qualität aus wie Fred Zinnemanns Vorzeigethriller Der Schakal. Beide Filme verzichten auf eine typische Spannungskurve, sondern ziehen ihren Unterhaltungswert schlicht aus einem geschickt konstruierten, konsequenten Drehbuch, das nicht einen Dialog, nicht eine Aktion der Charaktere vorsieht, die nicht essentiell für den Fortgang und das Verständnis der Geschichte ist. Durch den Umstand, dass sich in beiden Werken keine unnötige Dialogzeile findet, die lediglich der Unterhaltung oder Auflockerung dienen soll, wird das Spannungsniveau durch diese Konsequenz auf einem konstanten Niveau gehalten. Hier ist nichts unnötig, eine jede Szene hat ihre Berechtigung und fordert daher höchste Aufmerksamkeit des Zuschauers – Pausen werden nicht gegönnt.Der Spion der aus der Kälte kam Szene 2

Hätten die Drehbuchautoren Paul Dehn und Guy Trosper das Zugeständnis an das Mainstream-Kino gemacht, Szenen zu schreiben, die sich letztlich als überflüssig erweisen – Liebesszenen, ausführliche private Momente Leamas‘ um Empathie für ihn entwickeln zu können – hätte man aus diesem Stoff einen zweieinhalbstündigen Film konstruieren können. Dass Der Spion, der aus der Kälte kam nur aufgrund seiner komplexen Geschichte die 110 Minuten trägt, ist ein Qualitätsmerkmal, ist die Story doch reichhaltig genug, um auf überflüssige Ausschmückungen zu verzichten.

Der Spion der aus der Kälte kam erscheint am 22. Februar auf DVD



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Martin Ritts Film ist kein reißerischer Thriller, der dem Zuschauer zahlreiche Klimaxe präsentiert, die zulasten der Glaubwürdigkeit gehen. Stattdessen vermag er sein Spannungsniveau konstant zu halten, präsentiert damit ein gleichmäßiges Tempo, das ein Kompliment an die Intelligenz des Konsumenten ist.
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