Simon - Jede Familie hat ihr Geheimnis

Simon – Jede Familie hat ihr Geheimnis

(„Simon och ekarna“ directed by Lisa Ohlin, 2011)

Simon - Jede Familie hat ihr GeheimnisWer bestimmt eigentlich, wer wir sind? Ist es unser Charakter? Unsere Eltern? Das Umfeld, in dem wir aufwachsen? Dass da irgendwas falsch ist in seinem Leben, hat Simon schon lange geahnt. Dass er irgendwie falsch ist. Schon in seiner Kindheit. Nur warum, konnte er sich nie erklären. Denn eigentlich hatte er alles, was er braucht: ein sicheres Zuhause, liebevolle Eltern, auch in der Schule alles ohne Probleme. Und doch flüchtet sich der Junge immer wieder auf eine Eiche und träumt von Pharaonen und Kamelen. Die Vergangenheit ist es, die ihn fasziniert, alte Geschichten.

Doch erst einmal muss sich die Familie mit der Gegenwart auseinandersetzen – und die sieht alles andere als gut aus. Wir schreiben das Jahr 1939 und Europa versinkt im Alptraum des Zweiten Weltkrieges. Zwar hat Schweden aufgrund seiner Neutralität nicht wirklich viel zu befürchten. Doch die jüdische Bevölkerung ist nervös: Gerüchte machen die Runde, dass Schweden bereits inoffiziell eine Liste aller Juden vorbereitet, falls sie Material für einen Kuhhandel mit den Deutschen brauchen. Und genau davor haben Erik (Stefan Gödicke) und Karin (Helen Sjöholm) Angst. Nicht ihretwegen, sondern um Simon (Jonatan Wächter). Denn der ist in Wirklichkeit gar nicht deren Sohn, sondern das Ergebnis einer Affäre zwischen Eriks wunderlicher Cousine Inga (Cecilia Nilsson) und einem deutschen Juden, der vor Jahren verschwand.Simon - Jede Familie hat ihr Geheimnis Szene 1

Aber Entwarnung: Der Krieg ist vorbei und Simon immer noch in Obhut seiner Zieheltern. Konzentriert sich die erste Hälfte von Simon – Jede Familie hat ihr Geheimnis eher auf das Schicksal der Juden während der Nazizeit, steht in der zweiten Hälfte Simons Identitätssuche im Mittelpunkt, als dieser schließlich die Wahrheit über seine Herkunft erfährt. Unterstützung sucht er auf seinem Weg vor allem bei Ruben (Jan Josef Liefers), der reiche Freund der Familie, selbst Jude und großer Musikliebhaber. Kein Wunder, dass sich der inzwischen jugendliche Simon (Bill Skarsgård) stärker zu ihm hingezogen fühlt als zum einfachen Arbeiter Erik, der mit Kultur so gar nichts anfangen kann und stattdessen lieber Schiffe baut.

Genug Stoff also, um die zwei Stunden zu füllen. Sogar eher zuviel. Oft sind die Sprünge von Situation zu Situation ein wenig hastig, was aber nicht wirklich überrascht, handelt es sich doch um eine Romanverfilmung. Genauer basiert der Film auf Marianne Fredrikssons äußerst erfolgreichem Buch „Simon“ aus dem Jahr 1985. Und das war dann wohl doch ein wenig zu umfangreich, um es in einen Film zu packen. Schlimmer noch ist, dass man trotz der Hektik das Gefühl hat, der Film wäre zu langsam. Schließlich lernen wir schon zu Beginn, was Simons großes Geheimnis ist und warten die ganze Zeit darauf, welche Konsequenzen es wohl haben wird. Bis wir aber an dem Punkt angekommen sind, sind bereits zwei Drittel der Zeit rum und von der anfänglichen Spannung ist nicht viel übrig geblieben.Simon - Jede Familie hat ihr Geheimnis Szene 2

Das soll nicht bedeuten, der Film hätte keine Szenen, die einem nahe gehen. Aber sie sind zu kurz, zu beiläufig und betreffen eher die Nebenfiguren. Rührend etwa Simons eigentliche Mutter Inga, die so völlig überfordert von ihrem Leben ist, deren Schilderungen einer vergangenen und verbotenen Liebe aber vor Wärme strahlen. Auch Olga, die offensichtlich nervlich angekratzte Frau von Ruben, und die nicht minder gestörte Nichte Iza haben faszinierende Auftritte. Aber warum die drei so sind, welche Schicksale sie zu dem gemacht haben  wir erfahren es nicht. Und sie verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind. Natürlich müssen Figuren nicht durchgeknallt sein, um zu packen. Die Suche nach einer Identität und den eigenen Wurzeln kann schließlich ebenso spannend sein. Das Problem ist jedoch, dass Simon als nur wenig sympathischer dafür umso selbstsüchtigerer Jugendlicher porträtiert wird. Da bleibt dem Zuschauer nur wenig Platz für Anteilnahme und Interesse für sein Schicksal.

Schade auch, dass der Film selbst beim zentralen Thema der Identitätssuche zu sehr an der Oberfläche bleibt und sich nicht die Zeit nimmt, die er bräuchte. Vielleicht wäre es da besser gewesen, Simon – Jede Familie hat ihr Geheimnis hätte sich stärker auf diesen Aspekt konzentriert, anstatt zahlreiche Themen mal kurz anzuschneiden und dann wieder fallenzulassen. Denn so bleibt ein zwar episches Familiendrama mit guten Schauspielern und teils wirklich schönen Bildern, das am Ende aber leider erstaunlich wenig zu sagen hat.

Simon – Jede Familie hat ihr Geheimnis ist seit 23. Januar auf DVD und BluRay erhältlich



(Anzeige)

Wer dramatische Familiensagas mag, bei der wirklich jeder sein Päckchen zu tragen hat, findet hier einen groß angelegten Beitrag über zwei schwedische Familien. Leider krankt Simon – Jede Familie hat ihr Geheimnis daran, dass er zu viel will und zu wenig zu Ende bringt. Das erschwert den Zugang zu den Figuren und damit auch die Möglichkeit, sich für deren Schicksale überhaupt zu interessieren.
5
von 10