Sons of Terror

Sons of Terror – Das Böse im Menschen

(„Anytown“, directed by Dave Rodriguez, 2009)

Sons of TerrorDie meisten von uns dürften schon Videos an Freunde und Bekannte weitergeleitet haben. Videos, die entweder besonders lustig sind oder besonders cool, vielleicht auch besonders krass. Doch keines dürfte mit dem vergleichbar sein, welches der Teenager Brandon (Matt O’Leary) an seiner Schule in Umlauf bringt: Ein Hassvideo von Terroristen, in Kapuzen gehüllt, die einen Gefangenen enthaupten. Nicht unbedingt die Art Video, die man in Kinderhänden sehen möchte.

Auch der Leiter der Schule nicht, also suspendiert er kurzerhand Brandon, damit der über sein Verhalten nachdenken kann. Nicht weiter schlimm, sollte man meinen. Am Unterricht ist der Schüler eh nicht sonderlich interessiert. Dann doch lieber einen Nachmittag mit den Kumpels und einem größeren Biervorrat. Zumal er später sowieso zu den Marines will, so wie sein großer Bruder, wo er dann Irakis im großen Stil abknallen darf. Schließlich sind das die Bösen und wir die Guten! Um das zu wissen, braucht es keine große Schulbildung.

Und doch fuchst es den Übeltäter. Dass er wegen Terroristen nicht in die Schule darf, ist doch mal mächtig unfair. Und der Höhepunkt: Ausgerechnet so ein mieser Araber hat ihn beim Schulleiter verpfiffen. Okay, eigentlich ist Eric (Jonathan Halyalkar) Inder. Aber Araber, Inder – wer unterscheidet da wirklich? Sind beide farbig. Und nachdem Brandon und seine Freunde sich einen ganzen Nachmittag gegenseitig angestachelt haben, mit ein bisschen Hilfe von Alkohol und Dope, ist für Differenzierung ohnehin kein Platz mehr. Und für Ausländer auch nicht. Also packen die Halbwüchsigen ihren indischstämmigen Mitschüler und wollen ihm so einen richtig schönen Schrecken einjagen. So richtig mit Waffe und so. Was zunächst nur ein (geschmackloser) Witz sein sollte, entwickelt jedoch rasch eine gefährliche Eigendynamik, bis die Entführung komplett aus dem Ruder gerät. Und bis Brandons Mitschüler verstehen, wie ernst es ihrem Freund ist, ist es ohnehin zu spät.Sons of Terror Szene 1

„Was ist nur mit dir geschehen?“, fragt der Schulleiter zu Beginn Brandon. Und bleibt dabei ebenso ohne Antwort wie der Zuschauer. Warum der Teenager so ist, wie der Hass sich so sehr in ihn hineinfressen konnte – wir erfahren es nicht. Wir erleben zwar „Das Böse im Menschen“, aber eben nur als Aussage. Vielleicht sogar als Anklage. Zumindest aber als Warnung: Schaut hin, was da in eurem Umfeld passiert, mit euren Kindern. Lasst nicht zu, dass die Gesellschaft sich in eine Spirale aus Hass und Gewalt hineinziehen lässt.

Das ist dann auch die größte Schwäche des Films. Regisseur Dave Rodriguez ist stärker daran interessiert, eine Generation am seelischen Abgrund zu zeigen, weniger einzelne Individuen. Das ist ihm zwar durchaus gelungen. Wenn aber die Figuren sich nicht konsequent verhalten, ihre Ansichten ohne jegliche Erklärung ändern und letztendlich größtenteils austauschbar werden, geht das natürlich auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Gerade zum Ende hin hätte man wenigstens so tun können, als steckten hinter den Protagonisten denkende Persönlichkeiten.Sons of Terror Szene 2

Faszinierend ist Sons of Terror – Das Böse im Menschen aber dennoch. Faszinierend und verstörend. Das Erschreckende an dem Independent-Drama ist nämlich, dass man – kleineren Mängeln zum Trotz – nicht wirklich daran zweifelt, dass etwas Derartiges passieren kann. Anytown, wie der Streifen im Original heißt, drückt das noch am besten aus: eine beliebige amerikanische Vorstadt, einfache Jungs; keine große Ambitionen, dafür umso mehr Alkohol, Drogen und eben Waffen. Am Ende setzt Rodriguez sogar eine Handkamera ein, um einen leichten Dokumentationscharakter vorzutäuschen. Klar, subtil ist das nicht, aber auch nicht ganz uneffektiv. Und so bleibt am Ende, wenn der Abspann über den Bildschirm läuft, ein äußerst mulmiges Gefühl zurück. Was geschieht da mit den Menschen? Mit uns?

Sons of Terror – Das Böse im Menschen ist seit 25. Januar auf DVD und Blu Ray erhältlich



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Wer über die etwas ungelenke Holzhammerinszenierung hinwegsehen kann und eben nicht mit der Erwartung an den Film geht, eine austarierte Charakterstudie zu sehen, erhält hier einen kleinen, unbequemen Beitrag, der es versteht, mit einfachsten Mitteln zu beunruhigen.
6
von 10