(„Mirage“, directed by Edward Dmytryk, 1965)
„Ich wusste doch, dass Sie’s sind!“ Na immerhin, das ist mehr, als David Stillwell (Gregory Peck) von seinem Gegenüber behaupten kann. Zwar ist die Dame (Diane Baker) überaus hübsch und auch sehr freundlich, aber dem Mann mittleren Alters leider völlig unbekannt. David ist sich sogar absolut sicher, ihr vorher noch nie begegnet zu sein. Doch zum Kennenlernen haben die beiden ja noch genug Zeit, schließlich müssen sie zusammen 27 Etagen gemeinsam hinab – zu Fuß wohlgemerkt, Stromausfall sei Dank. Ein Ärgernis, ja, aber es könnte schlimmer kommen. Schließlich hat diese Nacht zumindest für einen Menschen noch weit schwerwiegendere Folgen als etwaige Blasen an den Füßen. Dass da eine Leiche vor dem Hochaus liegt, um sie sich viele Menschen scharen, hat David schon beim Verlassen bemerkt. Aber erst am nächsten Tag erfährt er durch die Zeitung, dass es sich dabei um den reichen Unternehmer Charles Calvin handelte. Ein Selbstmord offensichtlich. Und ein recht rätselhafter noch dazu.
Es wird nicht das letzte Rätsel sein, vor dem David die folgenden Tage steht. Ein Kühlschrank, der sich von selbst füllt. Untergeschosse, die auf einmal nicht mehr da sind. Aktentaschen, die mal leer, dann wieder voll sind. Am schlimmsten aber: Offensichtlich hat es da jemand auf ihn abgesehen, denn wohin er auch geht, begegnet er bewaffneten Männern. Oder etwa doch nicht? Vielleicht gab es sie ja gar nicht wirklich? Ist David womöglich einfach verrückt? Nicht einmal er selbst ist sich da noch sicher und sucht deshalb Hilfe beim Privatdetektiv Ted Caselle (Walter Matthau). Doch der ist zunächst ebenso ratlos, weiß nicht so recht, ob er die seltsame Geschichte seines Klienten glauben soll. Klar ist nur: Die mysteriöse Frau aus dem Treppenhaus weiß mehr, als sie zugeben will. Und irgendwo läuft ein „Major“ durch New York, der offensichtlich hinter allem steckt.
Was ist real, was ist eingebildet? Die 27. Etage zeigt, mit welch einfachen Mitteln ein effektives Verwirrspiel inszeniert werden kann. Denn Regisseur Edward Dmytryk kam bei seiner Inszenierung ganz ohne Special Effects aus. Was kein Nachteil sein muss: Gerade durch diesen betonten Minimalismus entfalten die oft menschenleeren, stimmungsvollen Schwarzweißbilder eine fast schon surreale Wirkung, wie aus einem Traum. Umso wichtiger ist es da, den wenigen Charakteren auch Leben einzuhauchen. Eine zunehmend geistig verwirrte Hauptfigur und widersprüchliche Gegenspieler, das kann schnell unglaubwürdig und sogar unfreiwillig komisch werden. Zum Glück konnte Dmytryk seinerzeit jedoch auf hochkarätige Schauspieler zurückgreifen, die über jeden Zweifel erhaben sind. Vor allem Peck überzeugt in seiner Rolle als Mann, der nicht weiß, wie ihm geschieht.
Und uns geht es da kein Deut besser: Zu keinem Zeitpunkt hat der Zuschauer einen Vorsprung gegenüber dem Protagonisten, was dazu führt, dass wir den sonderbaren Ereignissen genauso hilflos gegenüberstehen wie der komplett überforderte David. Erst nach und nach bringen wir langsam Licht ins Dunkle, die Mosaiksteine fügen sich zu einem Bild zusammen. Leider schleichen sich dabei zum Ende hin hier und da ein paar Längen ein. Und auch die Auflösung ist nicht annähernd so aufregend oder einfallsreich, wie man es sich vielleicht erhofft. Aber bis es soweit ist, erleben Fans unblutiger Thriller eine raffiniert konstruierte Geschichte, bei der kräftig mitgerätselt werden darf. Umso schöner, dass der Klassiker von 1965 endlich auf DVD erscheint.
Die 27. Etage erscheint am 18. Februar auf DVD
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