(„Sushi in Suhl“ directed by Carsten Fiebeler, 2012)
Kaum einer dürfte während seines Berufslebens nicht irgendwann dort ankommen, der Punkt, an dem man sich fragt: War das schon alles? Bin ich nicht eigentlich zu Höherem berufen? An Ideen mangelt es uns nicht, die uns eine glänzende Karriere versprächen, an tollen Plänen. Wenn sie einen doch nur ließen, die risikoscheuen Chefs und die ignoranten Kunden. Rolf Anschütz (Uwe Steimle) hat mit beiden zu kämpfen. Würzfleisch, was anderes wollen die Gäste seiner Wirtschaft „Waffenschmied“ in der kleinen thüringischen Stadt Suhl nicht. Aber auch die HO, die staatliche geführte Handelsorganisation der DDR, sieht es nicht gerne, wenn von dem bewährten Menüplan abgewichen wird; so etwas weckt nur Begehrlichkeiten. Der Versuch, mit einem ganz traditionellen aber unüblichen Gericht – einer Maikäfersuppe – den Mitgliedern der HO eine Freude zu machen, endet sogar in einem kompletten Desaster.
Wenn Rolf etwas Außergewöhnlicheres auf den Tisch zaubern will, geht das deshalb nur heimlich, privat, etwa wenn er für seine Freunde kocht – allesamt selbst verhinderte „Künstler“. Als er sich eines Tages an einem japanischen Gericht versucht, das er in einem alten Buch gefunden hat, ist die Skepsis groß, die anschließende Begeisterung aber auch. Und so entschließt sich einer der anwesenden Freunde, einen Artikel über diese kulinarische Entdeckungsreise zu schreiben und in einer Zeitung zu veröffentlichen. Was zunächst nur für einen kleinen Kreis gedacht war, erregt so schon bald große Aufmerksamkeit bei den Kunden und der HO. Und gerade Letzteres ist immer schlecht.
Doch Glück im Unglück: Auch der japanische Gastdozent Dr. Hayashi (Gen Seto) erfährt von dem experimentierfreudigen Koch und möchte dessen Kreationen kosten. Zähneknirschend lässt die HO daraufhin Rolf gewähren, ist die DDR doch schon seit Längerem darum bemüht, die Beziehungen zu dem Land der aufgehenden Sonne zu verbessern. Mit dem eher unfreiwilligen Segen der Genossen entwickelt sich der „Waffenschmied“ so zu einer absoluten Sensation, dem ersten japanischen Restaurant des Landes. Auf einmal will jeder dorthin, selbst die westlichen Medien berichten über den neuen In-Laden. Doch damit fangen die wirklichen Probleme für Rolf erst an.
Über 20 Jahre nach Mauerfall und Wiedervereinigung noch einmal einen Film über den Alltag in der DDR zu drehen, da dürfte sich so manch einer fragen: Braucht es das wirklich? Doch man würde Sushi in Suhl unrecht tun, wenn man ihn mit bekannten Ostalgiefilmen wie Sonnenallee oder Good Bye, Lenin vergleichen wollte. Das liegt zum einen daran, dass er auf einer wahren Begebenheit beruht. Ursprünglich gab es sogar Pläne, aus dem Stoff eine Dokumentation zu drehen, bevor dann doch ein Spielfilm draus wurde. Einige Elemente wurden so hinzugefügt, doch die Grundgeschichte hat sich tatsächlich in den 1970ern so abgespielt.
Zum anderen geht es in der Spielfilmfassung nur bedingt um das Thema DDR. Klar werden auch hier die kleineren und größeren Absurditäten im sozialistischen Ostdeutschland angesprochen. Amüsant etwa der Running Gag, dass die einzelnen Direktoren der HO ständig ihre Meinung zu Rolf und seinen kulinarischen Ambitionen ändern, je nachdem, was die oberen gerade vorgeben. Und auch die Schwierigkeiten, im „Land der begrenzten Möglichkeiten“ authentisches japanisches Essen und Flair in den „Waffenschmied“ zu bringen, werden sehr schön gezeigt.
Doch gleichzeitig ist Sushi in Suhl die sehr persönliche Geschichte eines Mannes, der versucht, seinen großen Traum zu leben, und dabei nicht merkt, wie viel er dafür opfert. Während Bedienung Gisela (Ina Paule Klink) in dem Unterfangen in erster Linie einen großen Spaß sieht, ist Ehefrau Ingrid (Julia Richter) gar nicht zum Lachen zumute. Denn Rolf steigert sich mit der Zeit so sehr in seinen Japanwahn hinein, dass er sich zunehmend von Familie und Freunden entfremdet. Und letztendlich auch von sich selbst. Das Motiv „Mann wird Opfer seines eigenen Erfolges und muss erst erkennen, was wirklich wichtig ist“ ist natürlich sehr viel weniger originell als das Drumherum, wird aber von Regisseur Carsten Fiebeler sensibel erzählt, ohne sich über die Figuren lustig zu machen. Auf diese Weise erhält der bekannte Kabarettist Uwe Steimle die Gelegenheit, zu beweisen, dass er mehr Rollen drauf hat als die des schrillen Ossis. Richtig schrill wird in dem Film ohnehin nur wenig, dafür bleiben die Spitzen und die Komik zu harmlos. Vielmehr bekommt der Zuschauer hier eine bewusst märchenhaft gestaltete Tragikomödie, die sehr viel universeller ist, als es die Geschichte vermuten lässt.
Sushi in Suhl erscheint am 27. März auf DVD
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