Dead Man Down

Dead Man Down

(„Dead Man Down“ directed by Niels Arden Oplev, 2013)

Oliver Armknecht zum Kinobesuch

Dead Man DownEs ist sicher eine der schönsten Szenen des Films: Beatrice (Noomi Rapace) und Victor (Colin Farrell) stehen sich gegenüber, jeder auf seinem Balkon, und telefonieren miteinander. Vorher hatte Beatrice, nach langem Zögern, ihrem Nachbarn auf der anderen Straßenseite einen Zettel mit ihrer Nummer in den Briefkasten gesteckt. Es ist das erste Gespräch der beiden, nachdem sie aus der Ferne seit Wochen immer mal wieder ein Auge aufeinander geworfen haben. Und wie es sich für das erste Gespräch gehört, darf auch die förmliche Begrüßung nicht fehlen. Und so streckt Beatrice dem wortkargen Victor ihre Hand entgegen und die beiden tun so, als würden sie sich die Hände schütteln. Als könnten sie den Abgrund zwischen den Balkonen überwinden. Und den Abgrund in ihren Seelen.

Dass Victor nicht unbedingt der nette Nachbar von nebenan ist, wissen wir zu dem Zeitpunkt nämlich schon. Er verdient sein Geld in der Unterwelt und hat nur wenig Skrupel, für die Arbeit andere über den Haufen zu schießen. Und auch Beatrice hat eine Leiche im Keller. Oder besser: Sie hätte gern eine, genauer die von dem Mann, der sie sturzbetrunken angefahren hat. Seither ist ihr Gesicht von Narben entstellt, was für eine gelernte Kosmetikerin nur wenig verkaufsfördernd ist, und Beatrice verlässt kaum noch die Wohnung, die sie mit ihrer Mutter (Isabelle Huppert) teilt. Aber auch in ihrer Seele klaffen tiefe Wunden und sie kann nur an eines denken: Rache an dem Mann, der ihr das angetan hat. Da sie zudem weiß, dass Victor Berufskiller ist – sie hat ihn einmal während seiner „Arbeit“ beobachtet – stellt sie ihn vor die Wahl: Entweder er bringt den Trunkenbold um oder sie verpfeift ihn. Dass Victor selbst auf einem Rachefeldzug ist, ahnt Beatrice jedoch nicht: Er ist der Verbrecherbande nur deshalb und unter falschem Namen beigetreten, um deren Boss zu töten, der seinerseits Victors Familie auf dem Gewissen hat.IMG_9566.CR2

Starke Szenen der beiden Hauptdarsteller wie die obige auf dem Balkon gibt es im Lauf der zwei Stunden einige. Wie die beiden geschundenen Seelen, die nichts mehr außer ihrer Rache haben, um sich herumtänzeln, sich näherkommen und dann wieder wegstoßen, ist überzeugend und manchmal sogar fast schmerzhaft intensiv. Das wirkt besonders gut, wenn dann noch Huppert hinzukommt. In ihrer Rolle als schwerhörige Mutter von Beatrice sorgt sie für die nötige Warmherzigkeit inmitten der Kälte. Sie ist es auch, die ihre Tochter dazu antreibt, mit Victor auszugehen und versucht ihr allgemein vor Augen zu führen, dass es noch viele kleine Momente in ihrem Leben gibt, für die es sich lohnt weiterzumachen. Hört sich etwas kitschig an, ist hier aber sehr schön umgesetzt.

So weit, so gut. Doch Dead Man Down will eben kein reines Drama sein, sondern – zumindest auch – ein Thriller. Das sollte angesichts der Beteiligten keine schwierige Aufgabe sei: Der dänische Regisseur Niels Arden Oplev empfahl sich mit seiner Erstverfilmung des Stieg-Larsson-Kultbuches „Verblendung“ einem größeren Publikum. Auch Hauptdarstellerin Noomi Rapace wurde durch die Original-Millenium-Filme bekannt. Und Colin Farrell ist im Thriller-Genre ohnehin ein alter Hase. Aber auch deren vereintes Talent kommt nicht gegen das unausgegorene Drehbuch an. Die Motivationen der Figuren mögen ja noch plausibel sein, die Handlung ist es nicht. Vieles wirkt an den Haaren herbeigezogen, was nicht unbedingt der Spannung hilft. Und wenn der Film in einem großen Krach-Bumm-Finale gipfelt, das genauso aus einem Stirb Langsam hätte stammen kommen, wird alles zuvor Gelungene dann endgültig in die Tonne getreten.Dead Man Down Szene 2

Was also tun mit Dead Man Down? Wirklich schlecht ist der Film nicht, nur eben ärgerlich unausgeglichen. Zuschauer, denen einige gute Szenen reichen, um dafür ins Kino zu gehen, finden gerade in denen der Dreierkombi Farrell-Rapace-Huppert genügend Gründe. Rundum gelungen ist Niels Arden Oplevls Hollywooddebüt aber nicht und eigentlich auch nur Freunden von zwischenmenschlichen Dramen zu empfehlen.

Fazit: Dead Man Down ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Kombination mehrerer Genres nicht immer eine gute Idee ist. Das ist umso bedauerlicher, weil die Szenen zwischen Colin Farrell und Noomi Rapace sehr intensiv geworden sind. Wen vor allem das Zwischenmenschliche interessiert, darf einen Blick auf den Film werfen, Thrillerfans schauen sich lieber woanders um.

Dead Man Down läuft seit 4. April im Kino



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Oliver Armknecht
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