(„Maniac“ directed by Franck Khalfoun, 2012)
Schaufensterpuppen zum Leben erwecken, diese Leidenschaft verbindet den schüchternen Frank (Elijah Wood) und die lebensfrohe Anna (Nora Arnezeder). Doch der Weg dorthin, der könnte zwischen den beiden nicht unterschiedlicher ausfallen. Annas Werkzeug ist die Kamera, die Perspektive, das Licht. Auf diese Weise lässt sie die leblosen Nachbildungen wie echte Menschen wirken, zeigt ihre Bilder sogar auf einer eigenen Ausstellung. Auch bei Frank werden die Plastikkörper zu wunderschönen Frauen. Doch bei ihm spielt sich diese Verwandlung nur im Kopf ab. Gewissermaßen. Ein Hilfsmittel hat er tatsächlich, um den künstlichen Puppen Leben einzuhauchen, doch von diesem darf niemand etwas erfahren.
Der zurückhaltende, harmlos wirkende Restaurateur von Schaufensterpuppen führt nämlich ein nicht ganz so zurückhaltendes, harmloses Doppelleben als Serienmörder. Immer wieder zieht er los, lauert schönen Frauen auf, tötet und skalpiert sie. Der eigentliche Körper interessiert ihn nicht weiter, der blutige Haaransatz ist es, auf den es Frank abgesehen hat. Damit schmückt er seine ganz private Sammlung an Mannequins im Hinterzimmer. Wenn er mit diesen allein ist, erwachen sie – zumindest in seiner Vorstellung – wieder zum Leben und werden eben zu jenen Schönheiten, die er zuvor getötet hat. Als er jedoch eines Tages der hübschen Anna begegnet und sich in diese verliebt, wird es für ihn zunehmend schwerer, diese beiden Seiten auseinanderzuhalten.
Ein Mann, der Frauen tötet und mit deren Skalps Schaufensterpuppen schmückt – da war doch was? Eingefleischte Horrorfans könnte die Handlung durchaus bekannt vorkommen, denn bei Alexandre Ajas Maniac handelt es sich um ein Remake des Horrorfilms Maniac von 1980. Schon damals war die Geschichte um den mordenden Restaurateur Frank ein harter Brocken, wurde hierzulande auch mal wieder gleich beschlagnahmt. An dem Grundgerüst änderte der französische Produzent und Drehbuchautor Alexandre Aja nur wenig. Ein bloßer Abklatsch ist das Remake dennoch nicht, dafür sorgt die sehr eigenwillige Inszenierung durch Franck Khalfoun.
Der Clou: Die gesamte Geschichte wird durch die Augen von Frank erzählt – und das ist hier durchaus wörtlich zu verstehen. Konkret bedeutet das, dass wir ihn nie aus der dritten Person sehen, stattdessen nimmt die Kamera seine Position ein. Seine Hände sehen wir, sein Gesicht jedoch nur, wenn er gerade an einem Fenster oder einem Spiegel vorbeiläuft. Das führt zu einigen ungewöhnlichen Perspektiven, etwa wenn Frank seinen Kopf neigt und damit eben auch die Kamera. Doch dieser Einfall ist mehr als ein cooles Gimmick. Indem er die Erzählung in Frank hinein verlegt, macht Khalfoun den Zuschauer zum Komplizen. Mehr noch: Er wird selbst zum Täter. Eine recht einfache Idee, ja, aber überaus effektiv. Und verstörend. Denn die meisten von uns würden an den Stellen gerne wieder raus aus unserer Haut. Aber wir können es nicht, ebenso wenig wie Frank.
Verstörend trifft dann auch auf den Rest des Films zu. Selbst wenn wir die ganze Zeit wissen, welches Leben Frank führt und was er vorhat, schafft es Alexandre Ajas Maniac oft genug, mit bizarren und äußerst brutalen Szenen zu schockieren. Wer befürchtet hat, mit einem bekannten Schauspieler in der Hauptrolle würde das Remake deutlich handzahmer ausfallen, wird schnell eines Besseren belehrt. Vielmehr dürften nur wirklich Hartgesottene den Film ganz anschauen können, ohne je den Blick abwenden zu müssen. Die einzige „Erleichterung“ stellt die unterkühlte Synthie-Musik dar, so als wären wir zurück in den 80ern. Durch diese Distanz wirkt die Gewalt teilweise fast schon künstlerisch, ein bisschen wie in Uhrwerk Orange. Manche werden bemängeln, dass durch die stylischen Elemente der Tritt in die Magengegend nicht so durchschlagkräftig ist, wie er sein könnte. Andere werden genau darüber froh sein – denn hart genug ist der Film auch so.
Fazit: Alexandre Ajas Maniac ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie ein Remake einer bekannten Geschichte neue Blickwinkel abgewinnen kann. Komplett aus der Sicht des Mörders erzählt, ist der Horrorfilm sehr verstörend, hart aber eben auch faszinierend.
Frank Zito (Elijah Wood) hat ein fragwürdiges Hobby. Neben seiner Tätigkeit als Schaufensterpuppenrestaurator fährt er regelmäßig durch Los Angeles um sich sein nächstes Opfer zu suchen. Dabei fällt die Wahl stets auf hübsche, junge Frauen, welche allein unterwegs sind. Im richtigen Moment schlägt er zu und tötet sein Opfer bevorzugt mit einem Messer, um sie anschließend zu skalpieren. Den Skalp nimmt der gestörte Psychopath mit in seinen Unterschlupf und tackert diesen auf seine Schaufensterpuppen. Als er sich jedoch eines Tages wahrhaft in eine schöne Französin (Nora Arnezeder) verliebt, geraten seine krankhaften Prinzipien ins Wanken.
Es handelt sich bei Maniac um ein Remake des gleichnamigen, im Jahre 1980 erschienen Schockers von William Lustig und setzt erheblich mehr auf Gore Elemente als sein Vorgänger. Elijah Wood eifert seinem einstigen Leidensgefährten und Widersacher Gollum hier zumindest in Sachen Diagnostik eifrig nach. In Maniac mimt er einen seltsamen jungen Mann mit starker Persönlichkeitsstörung und kämpft mit seinen beiden Ichs um die Vorherrschaft von Gut oder Böse. Eine düstere Rolle für den einst so schüchtern wirkenden Frodo-Darsteller, die er gekonnt verkörpert.
Bemerkenswert ist, dass der Regisseur bis auf ganz wenige Szenen auf die Egoperspektive zurückgreift, was begleitend mit der synthetischen Musik stellenweise sehr gewöhnungsbedürftig und anstrengend ist. Die Handlung beschränkt sich somit ebenso auf die einseitige Sichtweise des Mörders und erläutert lediglich durch wenige Rückblenden die eventuelle Ursache für sein Verhalten.
Durch diese Eigenschaften wird es für den Film trotz seiner stimmungsvollen Atmosphäre schwer bei einem breiten Publikum Fuß zu fassen und dürfte eher etwas für Fans des Originals sein, welche es noch einmal in neuem Glanz und mit wesentlich mehr Blut sehen wollen. Das große Finale bringt all die Grausamkeit ans Tageslicht, von welcher Frank dominiert wird. Es spiegelt all seinen Schmerz, seine Furcht und Einsamkeit für einen kurzen Moment wieder und hinterlässt ein ungutes Gefühl, welches durch die unpassend stimmungsvolle Melodie des Abspanns jäh unterbrochen wird, sodass nur eine Frage bleibt: Was will uns dieser Film bloß sagen?
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