Mitte der 60er gilt Italien nicht gerade als Filmnabel der Welt. Immerhin: Es gibt viel Sonne und die Kosten sind gering. Das reicht zwar nicht, um Hollywoodgrößen anzuziehen, aber billige Sandalenstreifen lassen sich so bestens produzieren. Doch auch deren Popularität lässt langsam nach. Grund genug für einige ambitionierte Filmemacher, ihre eigenen Visionen umzusetzen. Und die führt sie auf die andere Seite des großen Teiches: Die Italowestern nehmen sich die amerikanischen Klassiker zum Vorbild, drehen sie aber ins Negative. Statt strahlender Helden gebrochene Persönlichkeiten, düstere Geschichten, dazu viel Gewalt – mit diesen Zutaten schrieben die sogenannten Spaghettiwestern selbst Filmgeschichte.
Vor allem Sergio Leones Beiträge (Für eine Handvoll Dollar, Spiel mir das Lied vom Tod) prägten das neue Subgenre. Aber auch Sergio Corbuccis Django schlug mächtig ein, so sehr, dass in den nächsten Jahren über 30 Filme erschienen, die „Django“ im Namen trugen – in der Hoffnung, damit schnelles Geld zu machen. Richtige Fortsetzungen waren das aber nicht, inhaltlich hatten die nichts miteinander zu tun und vom Originalteam war auch niemand daran beteiligt. Ein gefundenes Fressen für den bekennenden Genremischer und Filmfan Quentin Tarantino, sich fast 50 Jahre nach dem Original selbst einmal des berühmten Namens anzunehmen und seinen eigenen Stempel aufzudrücken.
Natürlich hat auch Tarantinos Django nicht viel mit der Originalfigur gemeinsam. In diesem Fall hört ein Farbiger zur Sklavenzeit auf diesen Namen. Zu Beginn ist auch Django Freemann (Jamie Foxx) ein Leibeigener, trifft dann jedoch auf den deutschen Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz). Schultz selbst hat kein großes Interesse an der Sklaverei, seinetwegen könnte sie auch gleich ganz abgeschafft werden. Einen Vorteil hat der Menschenhandel jedoch: Auf diese Weise kann sich der Deutsche die Dienste Djangos sichern. Oder genauer: sein Wissen. Denn Django kann Schultz zu einigen Verbrechern führen, für die es eine hohe Belohnung gibt. Danach, so Schultz’ Versprechen, wäre er wieder ein freier Mann.
Doch Schultz hat noch einen besseren Vorschlag: Wenn Django seinen „Besitzer“ einen Winter lang bei seiner Arbeit unter die Arme greift, hilft er ihm, seine Frau Broomhilda von Shaft (Kerry Washington) zu befreien. Denn die ist dummerweise ebenfalls versklavt, und zwar von dem despotischen Plantagenbesitzer Calvin Candie (Leonardo DiCaprio). Aber Schultz wäre nicht Schultz, hätte er nicht auch da einen Plan.
Das hört sich jetzt nicht nach besonders viel Inhalt an, vor allem bei einem fast dreistündigen Film. Aber komplexe Handlungen oder tiefsinnige Charaktere waren noch nie das Ziel von Tarantino, und das gilt genauso für Django Unchained. Einen wirklichen Kommentar zu Sklaverei will der fast drei Stunden lange Streifen gar nicht abgeben, beschränkt sich meistens auf Stereotype. Hinzu kommt eine ungewohnte Geradlinigkeit, Parallelhandlungen oder Zeitsprünge gibt es im Vergleich zu Tarantinos anderen Filmen fast gar nicht.
Umso erfreulicher, dass Django Unchained trotz seiner Überlange die meiste Zeit über verdammt gut unterhält. Vor allem für Cineasten ist der Neowestern ein großes Fest, hat der eigenwillige Regisseur und Drehbuchautor doch auch dieses Mal unzählige Anspielungen eingebaut. Doch auch für Nichtkenner hat die Geschichte der zwei ungleichen Partner eine Menge zu bieten – zumindest wenn man völlig überzogenen Humor mag.
Wie immer ist nämlich auch bei Tarantinos letztem vieles absurd und over the top, stellenweise wirkt Django Unchained mehr wie eine Parodie. Das gilt gerade für den glänzend aufgelegten Christoph Waltz, dessen Rolle zwar seiner in Inglourious Basterds recht ähnlich ist: wortgewandt, höflich, etwas steif und vollkommen übertrieben. Doch was dort funktioniert hat, tut es hier erst recht, weshalb der Oscar als beste Nebenrolle nicht wirklich überraschend kam. Wenn überhaupt, überrascht eher die Entscheidung, ihn als Nebenrolle zu nominieren, ist er doch über zwei Stunden vor der Kamera zu sehen. Insgesamt steht das starbesetzte Ensemble – inklusive Gastauftritt des Original-Djangos Franco Nero – auf der Plusseite.
Kritischer ist der für Tarantino typische Einsatz deutlicher Gewaltszenen, gerade in Verbindung mit den komischen Szenen. Natürlich ist es das, was man von dem Regisseur inzwischen erwartet. Aber genau das ist auch das Problem: Während zu Beginn noch genügend originelle Einfälle mit der Gewalt einhergehen, beschränkt sich der obligatorische Showdown auf übertriebenes Gemetzel. Fans werden ihre helle Freude haben, wenn Leute meterweit durch die Luft fliegen, nachdem sie erschossen wurden, bei anderen könnten sich aber Ermüdungserscheinungen einstellen. Persönlich fand ich das Finale viel zu lang und musterhaft und damit etwas langweilig. Auch wenn es zu seinen Filmen dazugehört, wäre es daher nett, Tarantino würde auch hier mal seine Kreativität unter Beweis stellen und sich was Neues einfallen lassen. Doch trotz der Längen kann sich der Film sehr gut sehen lassen, was auch an den sehr schönen Bildern liegt. Ein Tipp: Django Unchained am besten im Original anschauen, dort kommt der fette Südstaatendialekt noch mal besser.
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