( „Tai Chi Zero“ directed by Stephen Fung, 2012)
Okay, es hilft ja nichts: Auch der größte Martial-Arts-Fan wird zugeben müssen, dass das Genre hierzulande quasi tot ist. Die Zeit, in der ein Jackie Chan noch Massen ins Kino gelockt hat, sind dann doch ein bis zwei Jahrzehnte her. Und auch das Revival der sogenannten Wuxia-Filme – fantastisch angehauchte, epische Schlachtengemälde wie Tiger & Dragon oder Hero – findet mittlerweile nur noch in den Asiaabteilungen der Videotheken statt. Wenn demnächst The Grandmaster im Kino startet ist das also eher die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Schade für Anhänger der grazilen Drahtseilluftkämpfe, aber nicht sonderlich verwunderlich, wenn größtenteils austauschbare Lookalikes das Genre bestimmen.
Diesen Vorwurf – das ganz vorweg – kann man Tai Chi Zero nur schwer machen. Andererseits ist der chinesische Streifen auch nur bedingt dem Genre zuzuordnen. Man hat vielmehr den Eindruck, als hätten Monty Python ein Beat-’em-up-Videospiel verfilmt. Wer mit der Erwartung an den Film geht, eine Aussage zu finden, einen tieferen Sinn oder überhaupt einen Sinn, dürfte sich schwer damit tun. Eine Handlung gibt es, allzu üppig fällt die aber nicht aus.
Yang Lu Chan (Yuan Xiaochao) ist ein überaus talentierter Kämpfer mit einem kleinen körperlichen Handicap: eine Beule. Klar, Beulen hat eigentlich jeder, der einen Kampfsport ausübt. Aber Yangs Beule ist anders. Nicht nur, dass sie wie ein kleines Horn aussieht, sie verleiht ihm auch übermenschliche Kräfte, wenn jemand drauf haut. Das ist erst einmal nicht schlecht, hat aber den Nachteil, dass eben diese Beule früher oder später seinen Tod bedeutet. Die Lösung für sein Problem besteht darin, eine neue Kampfkunst zu lernen, die nicht auf bloße Kraft vertraut. Dummerweise wird die nur in einem kleinen entlegenen Dorf gelehrt, das Auswärtigen gegenüber nicht unbedingt freundlich gesinnt ist. Selbst die schöne Chen Yuniang (Angelababy) ist für den Charme des Fremden nicht empfänglich, zieht Hiebe der Liebe vor. Erst als der frühere Einwohner Fang Zijing (Eddie Peng) sein Heimatdorf aus Rache dem Erdboden gleichmachen will, hat Yang die Gelegenheit zu beweisen, dass in ihm mehr steckt.
Mal abgesehen von der Beule also nichts, was Martial-Arts-Veteranen nicht schon woanders gesehen hätten; und vermutlich auch besser. Doch bei Tai Chi Zero kommt es weniger auf das „Was“, vielmehr auf das „Wie“ an – und da trumpft der Film mächtig auf. Das fängt schon bei der Musik an: Hard Rock, romantische Synthiemusik, dann wieder was Episches. Passt nicht? Passt nicht. Das gleiche gilt auch für den Inhalt, wenn auf eine Wassermelonenschlacht plötzlich der Angriff eines Riesenroboters folgt. Aber genau dieses wilde Zusammenwürfeln macht einen großen Teil des Charmes aus. Die Handlung mag vorhersehbar sein, die Ausarbeitung ist es nicht.
Ebenfalls witzig sind die vielen selbstironischen Szenen und Anspielungen. An allen Ecken und Enden tauchen typische Videospielelemente auf – Level 1, Energiebalken – und neue Figuren werden schon mal mit Verweisen eingeführt, in welchen Filmen die Schauspieler sonst so mitgemacht haben. Das ist absurd, albern aber eben auch ein großer Spaß. Gut ist der Film strenggenommen nicht, dafür fehlen neben der Handlung auch interessante Charaktere oder Spannung. Nicht einmal die Kämpfe an sich sind wirklich erwähnenswert. Wem diese Punkte wichtig sind, sollte lieber woanders sein Glück versuchen. Eingefleischte Martial-Arts-Anhänger müssen also auch weiterhin auf den nächsten Knaller warten. Wer sich jedoch mit der Idee eines gehaltlosen völlig überzogenen Genrevertreters anfreunden kann, den erwartet eine knallbunte, unterhaltsame und teilweise sehr sehenswerte Bilderflut. Aber auch einen der wohl dreistesten Cliffhanger aller Zeit. Ein Glück, dass der Nachfolger Tai Chi Hero schon im Sommer folgt.
Tai Chi Zero ist seit 24. Mai auf DVD und Blu-ray erhältlich
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