(„Flight“ directed by Robert Zemeckis, 2012)
Ein Alptraum für Filmhelden, ein Segen für die Zuschauer – so etwa könnte man diese Woche zusammenfassen. Nur zwei Tage nach The Impossible kommt nämlich schon der nächste prominent besetzte Film in die Läden, der mit einer absoluten Katastrophe beginnt. Was für den spanischen Streifen der Mördertsunami Ende 2004 in Südostasien war, ist bei Flight ein Flugzeugabsturz. Und der fällt nicht minder beeindruckend aus; tatsächlich kann sich das neueste Werk von Regisseurlegende Robert Zemeckis (Zurück in die Zukunft, Forrest Gump) schon jetzt damit rühmen, mit der Absturzsequenz zehn der spannendsten Minuten inszeniert zu haben, die wir dieses Jahr zu Gesicht bekommen werden.
Dass die Katastrophe am Ende vergleichsweise glimpflich ausgeht – es kommen „nur“ sechs Leute ums Leben – verdanken die Passagiere ihm, Kapitän William Whitaker (Denzel Washington). In einer spektakulären Rettungsaktion schafft es der erfahrene Kapitän, die Maschine zu landen. Flight, eine Heldengeschichte? Nein, nicht ganz. Denn Whitaker steht zu dem Zeitpunkt unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Verantwortungslos, ja, auch unmoralisch. Aber um Moral geht es den Verantwortlichen während der folgenden zwei Stunden nur bedingt.
So schön die hohe Überlebensrate auch sein mag, das Flugzeug ist komplett zerstört. Und irgendwer muss diesen Schaden ja bezahlen. Die Versicherungen haben daraus, aus verständlichen Gründen, nur wenig Lust. Als sie erfahren, dass in der Blutprobe von Whitaker unerlaubte Substanzen entdeckt wurden, wittern sie Oberwasser: Bei menschlichem Versagen wären sie aus der Nummer raus. Der Kapitän wiederum muss nun versuchen, mit Hilfe des Anwalts Hugh Lang (Don Cheadle) seine Unschuld zu beweisen. Was natürlich nicht ganz einfach ist, wenn man sehr wohl schuldig ist und zudem der Meinung, alles richtig gemacht zu haben.
Mehr noch als bei The Impossible steht bei Flight also nicht die Katastrophe an sich im Mittelpunkt, sondern persönliche Dramen. Die fallen hier zwangsweise weniger existenziell aus, sind aber gut inszeniert und vor allem dargestellt. Washington hätte für seine Rolle ja beinahe seinen dritten Oscar erhalten, Kelly Reilly ist als zerbrechliche, heroinsüchtige Nicole Maggen – Whitaker lernt diese im Krankenhaus kennen und lieben – nicht minder beeindruckend. Und John Goodman, der Whitakers Drogendealer Harling Mays spielt, darf nach The Artist und Argo mal wieder zeigen, warum er zu den gefragtesten Nebendarstellern gehört. Als schillernder Mays sorgt er für die nötigen Lacher in dem ansonsten eher bedrückenden Film.
Schade ist nur, dass Flight nie in die Vollen geht und vergleichsweise harmlos das brisante Thema Alkoholsucht behandelt. Washington schafft es zwar sehr gut, einen erfolgsverwöhnten Menschen dazustellen, der nicht zugeben mag, dass er ein Problem hat. Das funktioniert vor allem im Zwischenspiel mit Reilly recht anschaulich. Ein schmerzvolles Trinkerporträt, ungeschönt und selbstzerstörerisch wie etwa Leaving Las Vegas ist der Film jedoch nicht geworden, dafür bleibt Zemeckis dann doch zu sehr seinen Hollywoodwurzeln treu und hat das große Publikum im Auge. Das darf sich dafür auf ein unterhaltsames und dezent gesellschaftskritisches – Geld ist wichtiger als die Wahrheit – Drama freuen, das zudem die moralisch interessante Frage stellt: Dürfen wir jemanden bewundern, der viele Leben gerettet, dabei aber verantwortungslos gehandelt hat?
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