(„Majo no takkyubin“ directed by Hayao Miyazaki, 1989)
Wer schon einmal dringend durch die Stadt musste – und wer musste das nicht? – kennt das Phänomen: Alle Ampeln sind gegen einen, Taxis grundsätzlich nicht verfügbar, die Fußgängerwege werden von Kinderwägen in Beschlag genommen, deren Größe nur noch von der Aggressivität der Mütter übertroffen wird und die U-Bahnen lassen niemanden mehr rein, weil sich die Leute offensichtlich für clever halten, wenn sie direkt am Eingang der Bahnen stehen bleiben. Kurz: Schnell ist nicht. Wie schön wäre es da, doch einfach über alle hinweg fliegen zu können und auf diese Weise eine Menge Zeit zu sparen. Kiki kann das. Aber Kiki ist ja auch kein normaler Mensch sondern eine Hexe. Oder besser: Sie will eine werden.
13 Jahre ist das Mädchen gerade geworden, ein in mehrfacher Hinsicht magisches Alter. Bei angehenden Hexen ist dann nämlich üblich, für ein Jahr ihre Familien zu verlassen und in einer fremden Stadt zu leben. Ziel dieser Prüfungszeit ist es, unabhängig zu werden und die eigenen Kräfte zu entwickeln. Schon lange hat Kiki auf diesen Tag hingefiebert. Umso größer die Freude, als sie zusammen mit ihrem kleinen schwarzen Kater Jiji endlich auf ihrem Besen davonfliegen darf. Eine Stadt ist auch alsbald gefunden: direkt am Meer gelegen, geschäftig und noch völlig hexenfrei – eine Voraussetzung für die Prüfung. Auch sonst scheint alles prima zu laufen. Sie bekommt ein Zimmer bei der freundlichen Bäckerin Osono, und ihre Idee, aus dem Flugtalent Kapital zu schlagen, indem sie einen kleinen Lieferservice gründet, kommt sehr gut an. Doch schon bald treten die ersten unerwarteten Probleme auf und Kiki muss zeigen, was wirklich in ihr steckt.
24 Jahre ist Hayao Miyazakis Animationsfilm mittlerweile alt, steckt in Sachen Charme aber immer noch ein Gros der aktuellen Vertreter in die Tasche. Das liegt neben den liebenswerten Charakteren natürlich auch an seiner zeitlosen Geschichte, die auf einem Buch von Eiko Kadono basiert: Wie bei Miyazakis anderem großer Kinderfilmklassiker Mein Nachbar Totoro stehen auch bei Kikis kleiner Lieferservice keine großen Abenteuer im Vordergrund, sondern das langsame Erwachsenwerden der jungen Heldin. Das bedeutet natürlich, dass sie sich mit ersten romantischen Gefühlen – in dem Fall gegenüber dem Jungen Tombo – auseinandersetzen muss, aber auch mit ihrem Platz in der Welt, als ihre Kräfte auf einmal weg sind. Dieser Weg zur Selbständigkeit und die Notwendigkeit, über sich hinauszuwachsen, sind Punkte, mit denen sich Kinder und Heranwachsende heute noch genauso sehr identifizieren können wie in den 80ern – entsprechend gut funktioniert die Handlung.
Und die Zeichnungen sind 2013 ohnehin nicht weniger schön anzuschauen als zur Zeit der Entstehung. Natürlich fehlt ihnen ein wenig der Wow-Faktor der heutigen computergestützten Animationsfilme. Wer nur diese kennt, könnte die handgezeichneten Bilder als altmodisch empfingen. Dafür sind sie sehr detailliert und strotzen vor liebevollen Details. Hinzu kommen die für das Studio Ghibli typischen recht ausdrucksstarken Mimiken der Figuren. Anders als die späteren Meisterwerke wie Prinzessin Mononoke oder Chihiros Reise ins Zauberland sind die Erlebnisse der kleinen Hexe aber kindgerechter ausgefallen, die düsteren Aspekte fehlen völlig. Aus dem Grund richtet sich Kikis kleiner Lieferservice eher an jüngere Semester oder Menschen, die sich auch im Erwachsenenalter an Kindergeschichten erfreuen können. Animefans dürften den Film zwar schon länger auf DVD zu Hause haben, wer den japanischen Klassiker aber noch nicht kennt oder ihn in einer höheren Auflösung genießen möchte, freut sich darüber, dass Kikis kleiner Lieferservice die Tage zum ersten Mal auf Blu-ray erscheint.
Kikis kleiner Lieferservice erscheint am 5. Juli auf Blu-ray
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