(„Parked“ directed by Darragh Byrne, 2011)
Sag mir, wie du wohnst, und ich sag dir, wer du bist. Jede Woche erscheinen zahllose Magazine, die sich ausschließlich der Inneneinrichtung widmen und die unterschiedlichsten Stile abdecken. Dort findet jeder dann genau die Deko oder das passende Möbelstück, um die eigene Persönlichkeit zu unterstreichen – so der Gedanke. Auch die „Wohnung“ von Fred (Colm Meaney) sagt einiges über ihn aus, aber vielleicht nicht das, was er gerne hätte. Ein Auto, mehr ist dem Rentner nicht geblieben, als er in seine Heimat in Irland zurückkehrt. Sozialhilfe bekommt er keine, denn einen festen Wohnsitz kann er nicht vorweisen. Ohne Geld wiederum kann er sich keine Wohnung leisten. Ein klassischer Teufelskreis. Und ein trostloser noch dazu.
Doch dann treten plötzlich zwei Menschen ins Freds Leben, die alles für ihn verändern. Da wäre zum einen sein neuer Nachbar auf dem Parkplatz: Cathal (Colin Morgan) ist von zu Hause weggelaufen, ein hoffnungsloser Junkie und lebt ebenfalls in seinem Auto. Die Zukunftsaussichten sind also nicht minder düster. Dafür sprüht Cathal vor Energie und gibt dem melancholischen Fred seine Lebensfreude wieder. An Letzterem ist aber auch sie nicht ganz unschuldig: Julianna (Milka Ahlroth). Eigentlich wollten sich die beiden Obdachlosen im Schwimmbad nur ein bisschen amüsieren, als Freds Augen auf die Klavierspielerin treffen. Gegenseitige Sympathie gibt es ohne Frage. Und so wundert es auch nicht, dass der Sozialfall und die einsame Witwe sich näherkommen. Nur: Wie sagt man der Frau seines Herzens, dass man in einem Auto lebt?
Eine Figur am Straßenrand, verklebte Haare, abgetragene Kleidung, vereinzelt ein Schild, manchmal auch Bier – wenn Obdachlose in unserem Blickfeld auftauchen, dürften die meisten von uns die Augen abwenden. Vielleicht aus Ignoranz oder gar Abscheu, andere aus Betroffenheit und Trauer. Vielleicht fragen wir uns auch, wer dieser Mensch ist, der da am Rande der Gesellschaft gelandet ist. Und wie kam er dorthin?
Was Fred dazu veranlasst hat, seinen Lebensabend auf einem Parkplatz in Dublin verbringen zu müssen, darüber schweigt sich Parked – Gestrandet aus. Andeutungen, Gesprächsfetzen, ein Tagebuch – klar ist nur, dass es nicht die eine große Katastrophe in seinem Leben gab, die ihn in den Abgrund riss. Vielmehr waren es viele kleine Schritte, Misserfolge, traurige Erlebnisse. Anders als erwartet versinkt der irische Film aber nicht in rührseligem Selbstmitleid. Oftmals ist er sogar ausgesprochen witzig, was an der – für uns – absurden Ausgangssituation liegt.
Aber auch an deren Folgen: Fred mag nicht viel in seinem Leben vorzuweisen haben, seine Würde ist ihm geblieben. Er legt großen Wert darauf, sich jeden Tag zu waschen (auf einer öffentlichen Toilette) und die Zähne zu putzen (mit Hilfe eines Wasserkanisters in seinem Auto). Manchmal wirkt das fast schon zu geschönt, zumal wir auch nie erfahren, woher Fred überhaupt noch Geld für Schwimmbad oder ähnliches hat. Außerdem müssen sich die Zuschauer auf eine sehr ruhige Erzählweise gefasst machen, Regisseur Darragh Byrne lässt seiner Geschichte viel Zeit, sich zu entfalten. Das fällt vor allem zu Beginn auf, als sich das gesamte Geschehen auf den Parkplatz beschränkt.
Doch das Warten wird später belohnt: Am schönsten wird der Film beim sich entwickelnden Zwischenspiel der ungleichen Hauptfiguren, bei dem Versuch der beiden tragischen Gestalten, sich gegenseitig Halt zu geben – leise, sympathisch, wunderbar gespielt, einfühlsam und ohne großes Drama inszeniert. Für eine Weile vermitteln gerade diese kleinen Szenen einen ungeheuren Optimismus, dem man nur zu gerne nachgibt und der einen veranlasst, dann doch an ein Happy End zu glauben.
Aber genau das ist nicht vorgesehen, kein Feel-Good-Movie, kein Sozialmärchen à la Angels‘ Share. Am Ende ist und bleibt Parked – Gestrandet die traurige Geschichte von Leuten, die aus den unterschiedlichsten Gründen – Drogen, Arbeitslosigkeit, Tod und Einsamkeit – aus dem Leben gefallen sind und nicht mehr den Weg dorthin zurück finden. Wenn der bewegende Film aber eines schafft, dann die Menschen im Abseits wieder als das wahrzunehmen, was sie sind: Menschen.
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