(„Oz: The Great and Powerful“ directed by Sam Raimi, 2012)
„Es ist nirgendwo so schön wie daheim“ und „Somewhere Over the Rainbow“ – selbst wer nie den Musicalklassiker von 1939 gesehen hat, kennt doch zumindest diese beiden Bestandteile von Der Zauberer von Oz. Was dabei oft vergessen wird: Das Abenteuer der kleinen Dorothy war ursprünglich ein Kinderbuch, sogar eine ganze Reihe davon. Gleich 14 Romane des amerikanischen Autors Lyman Frank Baum handelten von dem Zauberland. Und auch nach dessen Tod versuchten sich viele Schreiber an Fortsetzungen in und um Oz. Aber eine Vorgeschichte, ein Prequel, das vor Dorothy spielt – daran hatte sich keiner gewagt. Bis jetzt.
Dass sich ausgerechnet Disney daran versucht, gemischter konnten die Gefühle bei der Vorstellung kaum sein. Auf der einen Seite hatte der Micky-Maus-Konzern durchaus erste Erfahrungen mit dem Stoff gesammelt, dem seinerzeit leider unterschätzten und ungewöhnlich düsteren Oz – eine fantastische Welt (1985). Nur waren seither 28 Jahre vergangen. 28 Jahre, in denen Disney mit Alice im Wunderland schon einmal einen Kinderbuchklassiker fortsetzte, und das mit enttäuschendem Ergebnis.
Um es vorwegzunehmen: Bei Die fantastische Welt von Oz ist der Versuch deutlich besser geglückt. Schon der Anfang zaubert ein breites Grinsen auf die Gesichter der älteren Zuschauer: komplett in Schwarzweiß gehalten, Monosound, ein altmodisches 4:3-Format, wie wir es noch von unseren alten Fernsehern kennen. Mit eben diesem Stilmittel wird er eingeführt, Oscar Diggs (James Franco) – genannt Oz –, ein Zirkus-Magier mit zweifelsfreiem Talent, andere zu täuschen, und einem ebenso zweifelsfreien Mangel an moralischen Grundeinstellungen.
„Ich will nicht gut sein, ich will der Größte sein.“
Sein Talent an ein Provinzpublikum verschwenden zu müssen, ist für den Trickbetrüger und Schwerenöter so ziemlich die größte Ungerechtigkeit in seinem Leben. Und doch dürfte er sich bald wünschen, eben wieder in seinem kleinen farblosen Zelt aufzutreten, zumindest wenn man die Alternative bedenkt: ein Wirbelsturm, der ihn mitreißt und erst in einem fremden Land wieder ausspuckt. Ab diesem Zeitpunkt wechselt der Film ins Jetzt, zu Farbe und Dolby Surround, die eigentliche Geschichte beginnt.
Man habe schon auf ihn gewartet, erfährt der verblüffte Oscar, als er auf die Hexe Theodora (Mila Kunis) trifft. Eine alte Prophezeiung habe angekündigt, dass ein großer Zauberer auftauche und König von Oz würde. Keine schlechte Aussicht also. Nicht nur dass dem Neuankömmling damit die Hand der schönen Theodora winken würde, Macht sowieso, nein, auch Unmengen von Gold und ein Zepter. Wäre da nicht ein klitzekleiner Haken, wie er von Evanora (Rachel Weisz) erfährt, der Schwester von Theodora und ebenfalls eine Hexe. Bevor Oscar den Thron besteigen kann, muss er erst eine weitere Hexe töten: die schändliche Glinda (Michelle Williams). Und so eine Hexe ist echt gut im Zaubern, zumindest besser als er. Doch zum Glück ist Oscar nicht alleine, kann auf die Hilfe seines Leibeigenen Finleys bauen – ein fliegender Affe – und eines kleinen Porzellanmädchens. Zu dritt machen sie sich auf den Weg, der bösen Hexe den Garaus zu machen.
Eine bekannte Geschichte fortsetzen zu wollen, ist immer eine schwierige Aufgabe. Bewegt man sich zu weit weg vom Ursprungsmaterial, empören sich die Fans, bleibt man zu nahe dran, wird es schnell belanglos. Sam Raimi, sonst eher für seine Spider Man-Filme oder als Horrorregisseur bekannt, wählte hier einen interessanten Mittelweg. Bis auf die Hexen taucht keine der bekannten Figuren auf, dafür gibt es immer wieder Anspielungen, etwa auf den ängstlichen Löwen, die Vogelscheuche oder in Form einer kleinen Musicaleinlage.
Anders als die Vorgänger wird hier zudem auf sehr viel Humor gesetzt. Alleine schon, dass aus dem großen Zauberer hier ein „Betrüger“ wird, der nur mit Taschenspielertricks zaubern kann, führt das bekannte Oz auf absurdes, fast schon parodistisches Terrain. Und auch beim Zwischenspiel von Oscar und Finley darf oft und gern gelacht werden. James Franco als charmanter, sympathischer wenn auch eigentlich nicht sonderlich netter Möchtegernzauberer erweist sich als gute Besetzung und sorgt für beste Unterhaltung.
Dieser Fokus auf Humor hat jedoch den Nachteil, dass dadurch das Märchenhafte verloren geht. Wenn Oscar mit Hilfe von Maschinen eine große Show darbietet, mag das komisch sein, „magisch“ ist es nicht. Das gleiche gilt auch für die optisch beeindruckenden Landschaften, die – wie von Disney gewohnt – perfekt modelliert sind, aber damit auch etwas zu glatt und berechnet wirken. Zum Staunen wird hier also genug geboten, zum Träumen eher weniger. Apropos Traum: Anders als der Klassiker von 1939 wird hier offen gelassen, ob wir tatsächlich in einem Land jenseits des Regenbogens oder in einem Traum von Oscar gelandet sind. Einer der schönsten Einfälle des Films ist es, mehrere Schauspieler sowohl im grauen Alltag als auch im bunten Oz auftreten zu lassen – und das in Rollen, die aufeinander verweisen.
Ob das in der fast schon obligatorischen und inoffiziell angekündigten Fortsetzung aufgelöst wird, wird man sehen. Auf jeden Fall wurde hier genug geboten, um auf weitere Teile gespannt zu sein. Und vielleicht werden die dann nicht nur „gut“, sondern „großartig“.
Die zauberhafte Welt von Oz erscheint am 11. Juli auf DVD und Blu-ray
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