(„Long men fei jia“ directed by Tsui Hark, 2011)
China, Ende der Ming-Dynastie: Das Land wird durch zwei mächtige und überaus rücksichtslose Geheimdienstorganisationen terrorisiert. Organisierter Widerstand? Zwecklos, wird ohnehin alles blutig niedergeschlagen. Wenn überhaupt funktionieren nur einzelne, gezielte Angriffe, wie sie der Kampfexperte Zhao Huaian (Jet Li) ausführt. Die können zwar nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein sein, verärgern die Verantwortlichen aber dermaßen, dass Yu Huatian (Kun Chen) – Obereunuch und Anführer des Westbüros – dem Aufständischen die besten Männer auf den Hals hetzt. Bei der eingeschüchterten Bevölkerung fällt die Reaktion natürlich deutlich positiver aus. Es gibt sogar erste Nachahmer: Als etwa die Schwertkämpferin Ling Yangiu (Zhou Xun) eine vom Geheimdienst verfolgte schwangere Frau (Mavis Fan) rettet, gibt sie sich als Zhao aus.
Zuflucht finden die beiden Frauen mitten in der Wüste in der legendären Herberge zum Drachentor, das sich auf einen Sandsturm vorbereitet, wie er nur alle 60 Jahre vorkommt. Die meisten Gäste sind bereits geflohen, doch einige wenige weigern sich, die berüchtigte Räuberabsteige zu verlassen. Da wären zum einen die wilden Tartaren, angeführt von ihrer Prinzessin (Lun-mei Gwei) und im Dauerclinch mit den ebenfalls anwesenden Soldaten, die Yu Huatian dorthin geschickt hat. Mitten in diese ohnehin schon aufgeheizte Stimmung platzt die mysteriöse Gu Shaotang (Li Yuchun) mit ihrem Diener. Doch was will die weiß gekleidete Frau? Klar ist nur, dass sich da noch etwas ganz anderes zusammenbraut als ein Sandsturm und es zu einer Art Showdown zwischen den fünf Parteien – auch Zhao taucht natürlich irgendwann im Wirtshaus auf – kommen muss.
Überwältigend, so könnte man Flying Swords of Dragon Gate zusammenfassen – und das gleich auf mehreren Ebenen. Negativ betrifft das die Handlung. Wer war noch mal diese Frau? In welcher Verbindung stehen die einzelnen Gruppen? Bei derart vielen auftauchenden Personen ist es schwierig, den Überblick zu behalten, vor allem wenn dann auch noch Doppelgänger auftauchen und später Verkleidungen hinzukommen, um sich als eine der anderen Gruppen auszugeben. Das wird schnell unübersichtlich, ohne dass ein wirklicher Mehrgewinn in Form einer komplexen Handlung dabei herausspringt. Wenn schon Verwicklungen dann nur, wenn man auch eine wirkliche Geschichte zu erzählen hat, siehe Hero. Hier hat man des Öfteren den Eindruck, dass die Verkomplizierung reiner Selbstzweck ist.
Aber nicht jeder Film muss seiner Handlung wegen geschaut werden, vor allem wenn er eine Optik wie hier vorweisen kann – denn auch die ist überwältigend. Die Computereffekte sind manchmal etwas zu exzessiv eingesetzt, ansonsten können sich die Bilder auf alle Fälle sehen lassen. Die Landschaftsaufnahmen sind wie so oft in dem Genre großartig, die Kostüme sind aufwendig gestaltet und die Kämpfe, wie bei einem Film mit Jet Li nicht anders zu erwarten, äußerst kunstvoll choreografiert. Für manche vermutlich schon zu kunstvoll. Wer sich bereits bei Tiger & Dragon daran störte, wenn die Leute leichten Fußes Wände heraufsprangen oder durch die Luft segelten, sollte Flying Swords of Dragon Gate besser erst gar nicht anschauen, wo lästige Einschränkungen wie Schwerkraft gleich ganz wegrationalisiert wurden. Spaß macht es dennoch reichlich – oder gerade deshalb? –, vor allem beim eindrucksvollen Finale.
Martial-Arts-Veteranen dürfte das Setting übrigens bekannt vorkommen, basiert es doch – wenn auch nur in groben Zügen – auf dem Klassiker Die Herberge zum Drachentor von 1967 bzw. dessen Remake von 1992.Wie bei Letzterem wurde auch Flying Swords of Dragon Gate von Tsui Hark produziert und geschrieben, hier führte der Veteran (Once Upon a Time in China) außerdem Regie. Ein neuer Klassiker ist ihm mit seiner Multiarbeit zwar nicht gelungen aber immerhin ein launiges Actionspektakel, das sicher zu den besseren Vertretern seines Genres in der letzten Zeit gehört.
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