(„Lovely Molly“ directed by Eduardo Sanchez, 2012)
Der Fluch des frühen Erfolges: Welcher Filmemacher träumt nicht davon, schon mit seinem Erstlingswerk einen Kassenschlager zu landen und sich darüber hinaus vielleicht sogar in den Geschichtsbüchern zu verewigen? Eduardo Sanchez und Daniel Myrick gelang dieses Kunststück. Als 1999 ihr Debüt The Blair Witch Project in den Kinos anlief, glich der Horrorfilm keinem anderen auf dem Markt und hatte Gewinnmargen, von denen Kollegen nur träumen konnten: Bei anfänglichen Kosten von nur 22.500 Dollar spielte er weltweit über das 10.000-fache ein. Ein Grund für den Erfolg war seinerzeit sicherlich das gelungene Marketing, das dem Zuschauer suggerierte, es handele sich um einen tatsächlichen Dokumentarfilm, der gefunden wurde. Vor allem aber machte der Film das Prinzip des „Found Footage“ populär und zeigte, wie man mit dem Stilmittel einer angeblich gefundenen alten Aufnahme eine wirkungsvolle Geschichte erzählen kann.
2013 ist von dem Ruhm nur wenig geblieben. Zwar erfreuen sich ähnlich gemachte Filme – Paranormal Activity, [REC], V/H/S – nach wie vor großer Beliebtheit, die Namen Sanchez und Myrick kennt hingegen kaum einer mehr. Mit Lovely Molly versucht sich nun Ersterer an einem Comeback und bleibt dafür auch dem Genre treu, das ihn groß gemacht hat: Horror. Und auch von der Inszenierung her kommt man hier einiges bekannt vor, gleich zu Beginn sehen wir alte Aufnahmen von der Hochzeit von Molly (Gretchen Lodge) und Tim (Johnny Lewis). Danach geht die Geschichte zwar „normal“ aus der dritten Person weiter, wird aber bis zum Schluss immer wieder durch solche Aufnahmen unterbrochen.
Auch der Wald spielt wieder eine größere Rolle, wenngleich sich das Geschehen dieses Mal in einem kleinen Haus inmitten dieses Waldes abspielt. Andere Orte tauchen zwar auch immer wieder auf, doch Dreh- und Angelpunkt ist das alte Familienhaus von Molly, in das das junge Paar nach dem Tod des Vaters gezogen ist. Viele Erinnerungen warten dort auf die Frischvermählten. Oder ist da noch mehr? Eines Nachts geht die Alarmanlage los und die beiden hören Schritte im Haus, aber die zur Hilfe gerufene Polizei kann nichts Verdächtiges finden. Immer wieder hat Molly in der Folgezeit das Gefühl, dass da jemand ist und sie verfolgt. Besonders schlimm sind die Nächte, wenn Tim – von Beruf Fahrer – mal wieder unterwegs ist und sie alleine lässt. Sind diese unerklärlichen Vorkommnisse real? Geht da tatsächlich etwas Böses in dem abgeschiedenen Häuschen vor sich? Oder handelt es sich hier um Halluzinationen der ehemaligen Heroinabhängigen Molly?
Originell ist Lovely Molly sicher nicht. Im Grunde wird eine Geschichte erzählt, wie wir sie seit Klassikern wie Bis das Blut gefriert schon hundertmal gesehen haben. Dafür kann Sanchez auch hier unter Beweis stellen, dass er mit nur wenig Mitteln und wenig Budget eine unheimliche Atmosphäre auf die Beine stellt. Besonders wirkungsvoll zum Beispiel der Einfall, dass während einer der nächtlichen Überfälle Molly eine männliche Stimme hört, die eine Variation des alten Volksliedes „Lovely Molly“ singt und immer näher kommt:
„Molly, Lovely Molly
I return in spring
When the angels and the turtle doves and the nightingales sing“
Auch sonst hat der Film immer wieder nette Einfälle; nicht genug, um über die ganze Länge das Geschehen zu tragen, aber doch, um einen immer wieder zu unterhalten. Die Schauspieler bekommen genretypisch eher weniger zu tun, wobei Gretchen Lodge im Laufe der 100 Minuten doch recht geschickt zwischen nettem Mauerblümchen, lasziven Vamp und hysterischer Neurotikerin hin und herwechselt. Auch Alexandra Holden als deren Schwester Hannah darf immer mal wieder eine emotionalere Seite von sich zeigen. Insgesamt bleibt so ein Horrorfilm, dessen Einfluss in 14 Jahren sicher überschaubar bleiben wird – dafür bringt er letztendlich zu wenig Neues. Einige Nebenfiguren werden auch etwas zu willkürlich eingeführt und wieder fallengelassen. Genrefans finden hier aber zumindest einen überdurchschnittlichen Vertreter mit vereinzelt guten, sogar beeindruckenden Szenen.
Lovely Molly erscheint am 26. Juli auf DVD und Blu-ray
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