(„The Artist“ directed by Michel Hazanavicius, 2011)
Vermeintlich bahnbrechende Neuerungen gab es in der noch recht jungen Filmgeschichte zuhauf. Manche davon – wie Geruchskino – sind dankenswerterweise relativ schnell wieder verschwunden. Andere Verbesserungen sind hingegen heute kaum noch wegzudenken. Farbe zum Beispiel. Oder Computereffekte. Doch keine dieser Erfindungen hatte vergleichbar einschneidende Auswirkungen auf die gesamte Branche wie die Erfindung des Tonfilms. Als 1927 der erste abendfüllende Tonfilm Der Jazzsänger anlief, leitete er nicht nur eine neue Ära ein, sondern beendete auch reihenweise große Karrieren. Viele Schauspieler, die zuvor große Popularität erreicht hatten, schafften die Umstellung auf den Tonfilm nicht – einige aus dem banalen Grund, dass sie kein Englisch sprachen.
In diese Zeit des Umbruchs versetzt uns The Artist des französischen Regisseurs Michel Hazanavicius. Wir schreiben das Jahr 1927, das Stummfilmkino hat seinen Höhepunkt erreicht und George Valentine (Jean Dujardin) ist sein gefeierter Star. Und diesen Status setzt der Schauspieler ein, um seinem Fan Peppy Miller (Bérénice Bejo) eine kleine Statistenrolle in einem seiner Filme zu geben. Auf der einen Seite der große Leinwandheld, auf der anderen das unbekannte Mädchen von der Straße – schon bald werden sich diese Vorzeichen umdrehen. Während Peppy von einem Erfolg zum nächsten eilt, schafft es George nicht, in der sich verändernden Filmwelt Fuß zu fassen. „Die Leute wollen etwas Frisches“, wirft ihm sein Produzent (John Goodman) entgegen und lässt den ehemaligen Publikumsmagneten eiskalt fallen. Keine neue Rollen mehr, kein Geld und auch seine Frau verlässt den gefallenen Star: The Artist zeigt die Schattenseiten der glitzernden Traumfabrik.
Doch das Besondere an dem Film ist natürlich nicht die eher einfache Handlung, sondern die Inszenierung. Hazanavicius entschloss sich bei seinem Herzprojekt, nicht nur einen Film über das Ende der Stummfilmzeit zu drehen, sondern das Ganze auch als Stummfilm selbst zu realisieren. Sprache und Hintergrundgeräusche gibt es also (fast) keine, und die wenigen Dialoge werden als umrandete Textkästen eingeblendet. Dem Mittel der Sprache größtenteils beraubt, mussten die Schauspieler Gefühle oder Handlungen also durch eine überzeichnete Gestik und Mimik transportieren. Doch stumm heißt natürlich nicht tonlos. In anderen Worten: Im Hintergrund läuft unentwegt Musik, die je nach Kontext mal fröhlich, mal dramatisch ist und so die Stimmung der Szenen wiedergeben soll.
Das alles macht The Artist zu einem sehr ungewöhnlichen und für manche vielleicht auch anstrengenden Film. Wer Stummfilme nicht gewohnt ist, wird sich anfangs schwer mit den übertriebenen Darstellungen tun, oder damit, dass eine Handlung fast nur über das Visuelle vorangetrieben wird. Doch genau das ist der Punkt des Films. Er entscheidet sich bewusst gegen die heutigen Konventionen, von denen wir schon gar nicht mehr wussten, dass es welche sind und lässt uns ein wenig wehmütig von einer glanzvollen, längst vergessenen Periode träumen. Vor allem Filmfans werden deshalb ihre helle Freude haben, auch wegen der regelmäßigen Selbstverweise oder Anspielungen auf bekannte Filme. Aber auch, wer sich in den Zeiten von 3D-Bombastund Trickspektakel nach etwas Leichterem sehnt, findet in dem charmanten und fast schon unverschämt nostalgischen The Artist eine gelungene Auszeit. Und einen Film, den man allein schon für seinen Mut bewundern muss.
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