(„True Love“ directed by Enrico Clerico Nasino, 2012)
Wer früher gerne Gesellschaftsspiele spielte, wird eventuell auch über dieses gestolpert sein: „Therapy“. Dort musste man – beim Versuch, sich selbst oder andere zu therapieren – nicht nur Wissensfragen beantworten oder Tintenkleckse richtig interpretieren, sondern vor allem auch seine Mitspieler richtig einschätzen, deren Vorlieben, Meinungen und Einstellungen. Das war oft aufschlussreich, hin und wieder unangenehm und fast immer lustig.
Aufschlussreich und unangenehm ist auch das Partnerspiel, in dem sich die Eheleute Kate (Ellen Hollman) und Jake (John Brotherton) befinden. Lustig? Das eher weniger. Das liegt nicht zuletzt am ungemütlichen Spielort. Statt mit Freunden um einen Tisch herum zu sitzen – Bier, Salzstangen und Gummibärchen in Reichweite – wachen die beiden in separaten Zellen auf. Keine Fenster, keine Türen, keine Gitterstäbe – aus diesen Räumen gibt es kein Entkommen, weder physisch noch optisch. Auch die Einrichtung ist mit Bett und Tisch eher spärlich gehalten. Vor allem aber gibt es keinen Kontakt zur Außenwelt und keine weiteren Menschen.
Vereinzelt werden Videos an die Wand geworfen oder es läuft Musik, ansonsten sind die beiden mit sich selbst allein. Oder fast allein. Das gesamte „Spiel“ dreht sich um ein kleines Panel an der Wand. Regelmäßig werden dort Fragen an die Insassen gezeigt; allgemeine Fragen, Fragen über sie selbst, Fragen über den Partner. Darunter zwei Knöpfe, „Y“ für „Yes“, „N“ für „No“. Sobald eine Frage über das Display läuft, müssen die Teilnehmer diese wahrheitsgemäß beantworten. Doch mit einem herkömmlichen Quiz hat das Ganze nur wenig zu tun, mehr mit einem Experiment: Statt toller Preise winken hier im besten Fall neue Erkenntnisse, im schlimmsten Fall Bestrafungen wie Licht- oder Wasserentzug. Und das nicht nur für einen selbst, sondern auch für den anderen.
Wirklich neu ist das Konzept „Menschen wachen in unbekannten Räumen auf und müssen Aufgaben erfüllen, um wieder rauszukommen“ natürlich nicht. Schon vor über 15 Jahren hatte der kanadische Indie-Klassiker Cube eine ganz ähnliche Idee. Und auch die berühmt-berüchtigte Saw-Reihe nahm das Prinzip gerne und erfolgreich auf. Es wäre jedoch etwas unfair, Y/N – Yes/No (You Lie, You Die) als reinen Abklatsch bezeichnen zu wollen. Zum einen hält sich im Vergleich zu den „Vorgängern“ der Goreanteil ziemlich in Grenzen, tödliche Fallen gibt es hier keine.
Stattdessen konzentriert sich die amerikanisch-italienische Koproduktion ganz auf seine beiden Hauptfiguren und deren Beziehung zueinander. Sind sie wirklich das Traumpaar, für das sie sich halten? Losgelöst von Kontexten ist es ein Leichtes, die Bilder aufrechtzuerhalten, die man von sich und seinem Partner hat. Aber ist man sich des Anderen tatsächlich so sicher, dass man seinen Schlaf darauf verwetten würde? Die eigenen Beine? Schnell kommen wir da in unangenehme Bereiche, zu Fragen, die wir vielleicht lieber nicht beantworten würden. Kate und Jake müssen das aber und daraus zieht auch Y/N seine Stärke. Zusammen mit dem begrenzten Setting – die ganze Geschichte spielt in den zwei Zellen – und der unaufdringlichen, stimmungsvollen Musik, entsteht eine schön klaustrophobische Atmosphäre und auch Spannung. Bis dahin hat Regisseur Enrico Clerico Nasino mit seinem Debüt also alles richtig gemacht.
Problematisch wird es aber ab dem Moment, wenn sich der Film von der interessanten Grundidee verabschiedet. Natürlich braucht ein Thriller meistens auch eine Art Auflösung, um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Nur wusste man hier wohl nicht so recht, wie das aussehen könnte. Und so wird die gelungene Ausgangssituation mit der Zeit und den eingebauten Wendungen immer konstruierter, unglaubwürdiger und teilweise sogar kitschig. Auch die rein psychologische Ebene, auf die sich der Film ja stützt, wird später verlassen. Das ist ausgesprochen schade, denn wenn hier noch eine zündende Idee gefolgt wäre, hätte Y/N – Yes/No (You Lie, You Die) sogar richtig gut werden können. So bleibt es aber bei einem „nur“ durchwachsenen Film mit originellen Ansätzen, der es nicht ganz mit den Großen aufnehmen kann.
Y/N – Yes/No (You Lie, You Die) ist seit 11. Juli auf DVD und Blu-ray erhältlich
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