(„Blood“ directed by Nick Murphy, 2013)
Die Polizei, dein Freund und Helfer – immer engagiert, gesetzestreu, hilfsbereit. Was viele dabei vergessen: Hinter der schicken Uniform und dem leuchtenden Abzeichen steckt trotz allem nur ein Mensch. Ein Mensch, der wie in anderen Berufen auch, nicht immer die Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privaten gut ziehen kann. Joe Fairburns (Paul Bettany), ist so ein Mensch. Schon sein Vater Lenny (Brian Cox) war Polizist, sein Bruder Chrissie (Stephen Graham) ist es ebenso. Gefürchtet waren die Fairburns schon immer, vor allem Lenny prahlt damit, wie er früher als Polizeichef Geständnisse aus den Angeklagten herausgeprügelt hat.
Nicht das beste Vorbild also für Joe. Als eines Tages ein junges Mädchen brutal ermordet wird, führt die Spur zum vorbestraften Sexualstraftäter Jason Buliegh (Ben Crompton). Dass der schuldig ist, weiß Joe, weiß Chrissie, weiß jeder – mangelnden Beweisen zum Trotz. Ganz der Herr Papa nimmt Joe daraufhin das Gesetz in die eigene Hand, brennend vor Wut auf Jason und darauf, was er der Zwölfjährigen angetan hat, so voller Hass, dass es bei einem Freispruch aus Mangel an Beweisen nicht bleiben darf. Und so kommt eines zum anderen, Joe verliert in seinem Gerechtigkeitswahn den Blick fürs Ganze, seine inoffizielle Vorgehensweise führt ihn in die Katastrophe, und eine Reihe weiterer Menschen gleich mit.
Wie schon in seinem Debüt The Awakening stellt Regisseur Nick Murphy auch in seinem zweiten Spielfilm Blood – You Can’t Bury the Truth seine Protagonisten deutlicher in den Vordergrund, als man es in dem Genre vielleicht erwarten würde. Der eigentliche Kriminalfall des britischen Thrillers ist spätestens zur Hälfte aufgelöst, die Suche nach dem Mörder vorbei. Stattdessen widmet er sich der Frage, wie weit man als Polizist gehen darf, um ein Verbrechen aufzuklären? Ab welchem Zeitpunkt ist der Drang nach Gerechtigkeit selbst zu einem Verbrechen geworden?
Der Film richtet sich daher weniger an Krimifreunde als an Liebhaber von Charakterstudien. Die hätte zwar durchaus noch ein bisschen tiefer ausfallen dürfen – im Prinzip beschränken sich die Hintergründe und psychologischen Erklärungen auf den unheilvollen Einfluss des patriarchischen und selbstgerechten Vaters – ist dafür aber sehenswert gespielt. Am dankbarsten sind dabei natürlich die Rollen des haltlosen Joes und des mittlerweile deutlich dementen Vaters. Rollen, die von ihren jeweiligen Darstellern überzeugend ausgefüllt werden: Paul Bettany beeindruckt als Mann, der langsam an seiner eigenen Schuld zerbricht, Brian Cox vor allem durch die ruhigen Momente. Aber auch Stephen Graham und Mark Strong als einsam-aufrechter Polizist Robert machen ihre Sachen gut.
Wenn man Blood – You Can’t Bury the Truth, der auf der britischen Miniserie Conviction basiert und ebenso wie diese von Bill Gallagher geschrieben wurde, einen Vorwurf machen kann, dann dass er zu lange braucht, um bei seinen Figuren anzukommen. So muss man erst den mäßig spannenden Kriminalfall abwarten, um zum interessanten Teil zu kommen. Wer diese Geduld jedoch aufbringt, wird mit einem zwar nicht originellen aber doch effektiven kleinen Film über Schuld, Moral, (Selbst-)Gerechtigkeit und familiäre Verantwortung belohnt.
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