(„Mystery“ directed by Lou Ye, 2012)
Strömender Regen, mit dem Kopf nicht ganz bei der Sache – eine fatale Situation beim Autofahren. Fatal vor allem für die junge Frau, die plötzlich auf der Fahrbahn auftaucht. Zu plötzlich für die Gruppe an Jugendlichen, die auf dem Nachhauseweg etwas Nervenkitzel durch kleinere Wettrennen suchet. Tatsächlich liegen die Nerven auch schnell blank, für die Unbekannte kommt jede Rettung zu spät. Ein Unfall? Alles spricht dafür, und da die eifrigen Raser aus gutem – und reichem – Hause kommen, werden die Ermittlungen bald eingestellt. Nur Kommissar Qing Feng (Zhu Yawen) hat seine Zweifel und kann sich mit der offiziellen Deutung nicht abfinden. Denn eine Frage steht noch immer mitten im Raum: Was hatte die Verstorbene überhaupt auf der Schnellstraße verloren?
Zeitgleich wird die Geschichte von Lu Jie (Hao Lei) und deren Mann Qiao Yongzhao (Qin Hao) erzählt. Auch hier scheint auf den ersten Blick alles klar zu sein. Yongzhao ist erfolgreich bei der Arbeit, ein liebevoller Ehemann, ein verantwortungsbewusster Vater. Aber auch ein notorischer Schwerenöter, der das mit dem ehelichen Treuegelöbnis nicht ganz so genau nimmt. Manche seiner zahlreichen Affären überdauern keine Nacht, andere – wie die Beziehung zur schönen Sang Qi (Qi Xi) – stellen eine dauerhafte Bedrohung des Familienglücks dar. Als Jie ihm jedoch eines Tages auf die Schliche kommt, bricht für sie eine Welt zusammen.
Ein nicht ganz geklärter Todesfall, die Geschichte eines Ehebruchs – Regisseur Lou Ye verbindet in Mystery einen klassisches Kriminalfall mit einem Familiendrama. Doch was haben die beiden Handlungsstränge miteinander zu tun? Erst nach und nach fügen sich die Puzzleteile zusammen, was vor allem am Anfang für Spannung sorgt. Ein wirklicher Krimi ist Mystery trotz seines Titels und der düsteren Stimmung aber nicht geworden. Schon weit vor dem Ende ist das Rätsel gelöst und auch Kommissar Feng tritt nur noch am Rande auf. Stattdessen rücken die zwischenmenschlichen Beziehungen von Yongzhao zu den beiden Frauen in den Vordergrund. Langeweile kommt aber auch da nicht auf, da der Dramateil zwar recht unglaubwürdig und konstruiert aber nicht minder direkt ausgefallen ist.
Diese Wirkung wird durch die Bilder recht geschickt verstärkt. Schon der Einstieg – die nasse Straße im dumpfen Abendlicht – ist atmosphärisch geworden, auch danach dominieren trübe Aufnahmen den Film, dunkel und farblos. Wirkliche Lichtblicke sind selten, nur hin und wieder durchbrechen glückliche Momente die Tristesse. Bemerkenswert ist bei der Umsetzung aber vor allem die Kameraführung: Durch extreme Nahaufnahmen und ständig wechselnde Perspektiven gewinnt der chinesische Film ziemlich an Intensität. Das Pseudodokumentarische von Handkameras mag oft etwas zu gewollt sein, hier funktioniert es ganz gut: Mystery bietet keinen Halt, keinen Trost – weder für die Figuren, noch für den Zuschauer.
Mystery erscheint am 16. August auf DVD
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