Animals

Animals (2012)

(„Animals“ directed by Marçal Forès, 2012)

AnimalsEs gibt Filme, die sind so eigenartig, so wider alle Erwartungen, dass es sie eigentlich gar nicht geben dürfte. Animals gehört sicher dazu. In Deutschland erscheint er über einen Verleih, der sich auf schwul-lesbische Dramen spezialisiert hat, lief gleichzeitig aber auch beim Fantasy Filmfest. Das Kinodebüt eines unbekannten spanischen Regisseurs, bei dem immerhin Martin Freeman – Hauptdarsteller des Blockbusters Der Hobbit und Watson aus der BBC-Serie Sherlock – eine größere Rolle übernommen hat. Ein Film, in dem mal Katalanisch, dann wieder Englisch gesprochen wird, teils sogar innerhalb desselben Dialogs. Und ein Film, in dem ein Teddybär im Zentrum des Geschehens steht. Ein sprechender Teddybär.

Doch zunächst die Ausgangssituation: Hauptfigur ist Pol (Oriol Pla), ein eher schüchterner Teenager, der mit seinem großen Bruder Llorenç (Javier Beltrán) zusammenlebt und an einer bilingualen High School mitten im Nirgendwo zur Schule geht. Wirklich viele Kontakte hat der Jugendliche nicht, am engsten ist das Verhältnis noch zur Mitschülerin Laia (Roser Tapias). Laia wäre gerne mehr als nur eine Mitschülerin, mehr als eine Freundin. Und Pol? Der will das weniger. Oder vielleicht doch? Ach, eigentlich weiß er das selbst nicht so genau. Inmitten diese Unsicherheit platzt der neue Schüler Ikari (Augustus Prew), fasziniert Pol mit seiner undurchsichtigen, zurückgezogenen Art und sorgt so für noch mehr Verwirrung im Leben des Teenagers. Das hat auch Auswirkungen auf seine schulischen Leistungen, sehr zum Missfallen seines Lehrers (Freeman).Animals Szene 1

Eine Coming-of-Age-Geschichte, wie es so viele gibt, möchte man bei dem Grundgerüst meinen. Ein Film über einen Jungen, der erst noch seine eigene Persönlichkeit, seine Sexualität entdecken muss, so scheint es. Dass dies aber nur die halbe Wahrheit ist, macht schon die fremdartige Musik im Hintergrund deutlich, die direkt aus einem Silent Hill-Film stammen könnte. Und spätestens wenn Deerhoof seinen ersten Auftritt hat, wird klar, dass im Leben von Pol noch viel mehr nicht stimmt als eine ungeklärte sexuelle Orientierung.

Dabei ist es noch nicht einmal so, dass sich Pol seinen besten Freund vorstellt, er ein reines Produkt seiner Fantasie ist. Jeder kann den kleinen flauschigen Plüschbär sehen. Aber hören, dieses Privileg teilt Deerhoof nur mit ihm, spricht mit einer verzerrten Roboterstimme und das ausschließlich auf Englisch. Auch ist der kleine Teddy gut zu Fuß, folgt Pol per Stop-Motion-Verfahren überall hin, taucht an unerwarteten Orten auf, zu überraschenden Zeiten, spielt dann auch schon einmal Schlagzeug.

Mit Ted hat das Ganze wenig zu tun, dafür ist die Stimmung zu melancholisch, der Inhalt zu ernst. Wenn überhaupt wirken die Gespräche mit dem nicht ganz realen Freund wie eine Mischung aus Mein Freund Harvey und Donnie Darko. Von ersterem stammt die Sehnsucht nach Geborgenheit, von letzterem die betont geheimnisvolle Atmosphäre. Denn erklärt wird in Animals nur wenig. Was hat eine bilinguale Schule in Katalonien zu suchen? Wo sind Pols Eltern? Woher kommt Ikari plötzlich? Bei diesen und vielen weitere Fragen wird noch nicht einmal der Versuch unternommen, eine plausible Antwort zu geben. Und spätestens beim seltsamen Ende wird so mancher Zuschauer frustriert zurückgelassen.Animals Szene 2

Doch was für den einen ein Kritikpunkt, macht für den anderen gerade den Reiz aus. Regisseur und Koautor Marçal Forès wirft sich bei seinem Kinodebüt mitten hinein in die verwirrenden Gefühlswelt eines Jugendlichen, die weder für den Betroffenen noch sein Umfeld großartig Sinn ergibt. Eine Gefühlswelt, die sich einerseits an die eigene Kindheit klammert, gleichzeitig aber auch die Grenzen überschreiten will und in diesem Chaos immer wieder die Finsternis sucht. Insofern ist der Versuch, diese Selbstfindungskämpfe zwischen Schwärmerei und Selbstzerstörung nicht durch eine Handlung sondern diffuse Stimmungen und Bilder auszudrücken, nicht nur legitim sondern auch wahnsinnig faszinierend. Durch seine eigenwillige Inszenierung hat Animals etwas deutlich Märchenhaftes an sich. Aber keines mit strahlenden Helden und einem „und wenn sie nicht gestorben sind“, sondern ein melancholisches, düsteres, grausames Märchen. Und ein sehenswertes noch dazu.

Animals erscheint am 27. September auf DVD



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So ein Leben als Jugendlicher kann schon die Hölle auf Erden sein, vor allem, wenn auch noch eine unbestimmte sexuelle Orientierung hinzukommt. Marçal Forès nahm dieses Thema und verpackte es in einen äußerst seltsamen und märchenhaften Film, der nur wenig erklärt, dessen geheimnisvolle Atmosphäre aber gleichzeitig ein faszinierendes Stilmittel ist, um eben dieses Gefühlschaos auf den Bildschirm zu bringen.
7
von 10