(„Gone in 60 Seconds“ directed by H. B. Halicki, 1974)
Boom!
Bang!
Der Klassiker Gone in 60 Seconds – Nur noch 60 Sekunden aka Die Blechpiraten ist für Autoliebhaber El Dorado und Hölle zugleich. Rolls-Royce, Jaguar, Ferrari, Lamborghini, Mustang – die rund anderthalb Stunden, die der Film dauert, gleichen einer Modeschau der exklusivsten Edelkarosserien. Gleichzeitig wird in dem Klassiker von 1974 aber auch gerummst, gepoltert und geschrottet, als ob es kein Morgen mehr gebe.
Tatsächlich sind die Zukunftsaussichten für Maindrian Pace (H. B. Halicki) eher trübe, wenn er seinen aktuellen Auftrag nicht fristgerecht erledigt. Eigentlich arbeitet der ja hauptberuflich als angesehener Versicherungsdetektiv, was ihn aber nicht daran hindert, in seiner Freizeit einem nicht ganz so angesehenen Beruf nachzugehen: Autos klauen. Das mag für einen gewissen Interessenskonflikt zwischen seinen beiden Tätigkeiten sorgen – vor allem wenn er die Autos finden soll, die er selbst geklaut hat – dafür ist der Job rentabel. Sehr rentabel sogar.
400,000 Dollar winken ihm, und das war vor knapp 40 Jahren noch sehr viel Geld. Alles, was er dafür tun muss, ist 48 Autos zu klauen. 48 wertvolle, teils sehr seltene Autos. Und das in nur fünf Tagen. Aber immerhin, und das wissen wir dank einer Warnung gleich zu Beginn des Films: Es dauert nur 60 Sekunden, ein Auto zu klauen. Also machen sich der charismatische Serienverbrecher und sein Team auf die Jagd nach den begehrten Vehikeln.
Moment, nur 60 Sekunden? Wenige Tage Zeit, um lauter Autos zu klauen? Da dürfte bei manchem Actionfan etwas klingeln. Tatsächlich diente der Film hier als Grundlage für den Kassenschlager Nur noch 60 Sekunden mit Nicolas Cage, der 2000 in die Kinos kam. Im Vergleich zum Remake sind Die Blechpiraten, wie das Original früher hieß, aber deutlich familienfreundlicher. Entführung oder Mord, so wie in der Neuauflage, sind hier nicht zu finden. Dafür gibt es deutlich mehr Humor und fast schon absurde Massenkarambolagen.
Die Geschichte, also der Auftrag und die Wagenbeschaffungsmaßnahmen, dienen nämlich nur der Vorbereitung des groß angelegten Finales. Das eigentliche Herzstück von Gone in 60 Seconds ist die zweite Hälfte des Films, die aus einer einzigen (!) Verfolgungsjagd besteht, wenn die Polizei von Long Beach sich ein Rennen mit Pace durch die Stadt und Umgebung liefert. Und wo gehobelt wird, da fallen nun mal Späne: 93 Autos werden während der rund 40-minütigen Verfolgungssequenz gerammt oder zu Schrott gefahren. Gesprochen wird während der Zeit erwartungsgemäß wenig. Wer also Wert legt auf sinnvolle Dialoge, eine tiefgründige Geschichte oder ausgearbeitete Charaktere – keine Chance. Doch darum geht es dem Actionfilm auch gar nicht, sondern um guten alten Bleifußspaß.
Gerade dieses Altmodische dürfte es jedoch schwierig machen, heute noch neue Fans zu finden. Im Vergleich etwa zu Drive ist hier alles deutlich rustikaler, weniger stylisch. Dafür punktet der Film mit einem dicken Retrocharme, sei es durch die Ausstattung, Bilder und Musik oder auch den Humor. Wer empfänglich ist für den 70er-Jahre Stil, in den 80ern mit vergleichbaren Serien wie Ein Colt für alle Fälle aufgewachsen ist oder auch einfach bedauert, dass solche geradezu unschuldige Acionkomödien heute kaum mehr gedreht werden, darf sich daher freuen, dass Gone in 60 Seconds – Nur noch 60 Sekunden jetzt das erste Mal auf DVD und Blu-ray erhältlich ist.
H. B. Halicki, der nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch Regisseur, Produzent und Drehbuchautor des Films war, konnte übrigens nie an seinen damaligen Erfolg anschließen, kümmerte sich danach mehr um seine private Autosammlung. Als 1989 doch noch ein Gone in 60 Seconds 2 folgen sollte, starb Halicki bei einem Unfall während der Dreharbeiten. Das Projekt konnte nie abgeschlossen werden.
(Anzeige)