Spring Breakers

Spring Breakers

(„Spring Breakers“ directed by Harmony Korine, 2012)

Spring BreakersLeicht bekleidete junge Menschen, die zu fetten Hip-Hop-Beats am Strand die Hüfte kreisen lassen – für eine Schrecksekunde meint man, den falschen Kanal eingeschaltet und stattdessen bei MTV gelandet zu sein. Und tatsächlich spielt Spring Breakers ganz bewusst mit der Ästhetik von Musikvideos und dem damit verbundenen Lebensgefühl, ist gleichzeitig aber auch eine böse und schillernde Satire darauf.

Im Mittelpunkt dieser Satire stehen die Freundinnen Candy (Vanessa Hudgens), Brit (Ashley Benson) und Cotty (Rachel Korine). Die drei als enthusiastische Schülerinnen zu bezeichnen, würde die Sachlage nicht ganz treffen. Wenn es nach ihnen geht, wäre das Ende der Schulzeit nämlich eher gestern denn morgen. Jeden Tag die gleichen Kurse, die gleichen Lehrer, die gleichen Leute, das gleiche sehen – das kann doch nicht alles sein. Da muss doch irgendwo noch ein anderes Leben auf einen warten. Nur ein Lichtblick durchbricht die alltägliche Tristesse: Spring Break! Doch fehlt es den Mädchen trotz eisernen Sparens am nötigen Kleingeld, um mit den anderen in den Frühlingsferien nach Kalifornien zu fahren. Was also tun? Der Überfall eines Fast-Food-Restaurants soll die Finanzierungslücke schließen.

Tatsächlich gelingt den drei Amateurinnen der Coup und so sitzen sie bald mit dem Rest, darunter die schüchterne und streng gläubige Faith (Selena Gomez) im Bus, auf zu neuen Ufern. Die schönste Zeit ihres noch jungen Lebens hat begonnen. Und wenn sie die Wahl hätten, könnte das auch ewig so weitergehen. Doch nicht sie haben das Sagen sondern die örtliche Polizei, die die Schüler wegen ihres Drogenkonsums festnimmt und ins Gefängnis steckt. Und eben dort sollen die vier auch bleiben, sofern sie nicht ihre Geldstrafe bezahlen. Was völlig illusorisch ist, dafür reicht die bescheidene Beute ihres Raubzuges dann doch nicht. Glücklicherweise kommt ihnen aber ein rettender Engel in Form des Rappers und Kleinkriminellen Alien (James Franco) zu Hilfe, der das Geld bereitwillig auf den Tisch legt. Doch statt extraterrestrischer Glückseligkeit wartet auf die vier ein recht irdischer Rausch aus Drogen, Gewalt und Geld.Spring Breakers Szene 1

Die Geschichte? Nein, das ist nicht der Grund, warum man sich Spring Breakers anschauen sollte, zumindest nicht direkt. Dafür ist sie dann doch zu einfach gestrickt, ohne wirkliche Charaktere, ohne Entwicklung. Aber genau darin liegt die Aussage des Films, die genüssliche Sezierung einer Generation, die sich in Plattitüden und Gesten verliert, ohne sie wirklich zu verstehen. Großartig etwa, wenn die Mädels mit Plüschrücksack, Garfield-T-Shirt und pink gefärbten Haaren den Fast-Food-Laden überfallen. „Tu einfach so, als wäre das ein Videospiel.“ Dieses so tun als ob, zieht sich dann auch wie ein roter Faden durch den gesamten Film.

Dass dieses erst auf den zweiten Blick so bissige Porträt überhaupt funktioniert, ohne die Darsteller wäre das nicht möglich gewesen. Hudgens & Co. wirken zwar, als wären sie direkt aus einem High-School-Musical zum Film gestolpert – was nicht einmal richtig falsch wäre. Umso beeindruckender, mit welchem Einsatz und mit welcher Überzeugungskraft sie die vier nicht ganz hellen Schülerinnen mimen, oder besser die Parodie auf sie. Dass man sich über längere Zeit nicht sicher sein kann, ob Spring Breakers das Gezeigte nun ernst meint oder nicht, gehört sicher zu den Stärken aber auch den Fallen des Films. Völlig over the top wird es dann bei James Franco, der mit Silberzähnen, Rastalocken und unzähligen Tattoos kaum wiederzuerkennen ist und den Höhepunkt des Film darstellt.Spring Breakers Szene 2

Oder sagen wir: fast. Noch stärker als sein Auftritt bleibt einem nach den anderthalb Stunden die Inszenierung im Gedächtnis. Regisseur Harmony Korine erzählt seine Böse-Mädchen-Odyssey zwar grundsätzlich chronologisch, weicht aber immer wieder davon ab. Oft werden Einzelszenen gezeigt, die eigentlich erst kurze Zeit später stattfinden, wir sehen die Folgen vor der Ursache. Dazu kommen Voice Overs, die mal während des Geschehens zu hören sind, mal davor, mal danach. Manchmal auch alles zusammen, wie eine Endlosschleife. Das hört sich nach verkünsteltem Autorenkino an, ist aber auch durch die Kürze der Sequenzen und den treibenden Soundtrack ungemein effektiv, faszinierend und verstörend zugleich. Aber eben auch gewöhnungsbedürftig. Wer der kreativen Umsetzung nichts abgewinnen kann, der dürfte sich angesichts der überschaubaren Handlung eher langweilen. Insofern ist Spring Breakers einer der Filme, die bewusst polarisieren wollen und das auch schaffen. Kein Film für die Massen, aber definitiv sehenswert.



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Flache Handlung, gepaart mit dümmlichen Menschen und einer sexistischen Hip-Hop-Optik: Wer bei Spring Breakers vorschnell  zur Fernbedienung greift, verpasst eine erst auf den zweiten Blick erkennbare böse Satire auf eine auf reine Gesten fixierte Jugendkultur, die mit klasse Schauspielern und einer ungewöhnlichen Inszenierung lange im Gedächtnis bleibt.
7
von 10