(„The Iceman“ directed by Ariel Vromen, 2013)
„I’m Polish. I work for everybody.“
Nein, Richard Kuklinski (Michael Shannon) kann man sicherlich vieles vorwerfen, übertriebene Skrupel bei der Wahl seiner Arbeitgeber gehören nicht dazu. Und auch bei seinen Aufgaben ist er nicht sonderlich wählerisch. Pornos synchronisieren? Ja, mach ich. Leute umbringen? Auch das, wenn die Bezahlung stimmt. Eigentlich ist Kuklinksi völlig egal, was er macht oder warum er es macht. Ein Talent, das Mafiaboss Roy Demeo (Ray Liotta) für sich erkennt und zu nutzen weiß. Und auch sein „Kollege“ Mr. Freezy (Chris Evans), ein nicht minder skrupelloser Killer, schätzt die emotionslose Herangehensweise an ein etwas anderes Berufsfeld und schlägt ihm deshalb eine Kooperation vor.
Die einzigen, die nichts von seiner ungewöhnlichen Tätigkeit erfahren dürfen – von der Polizei aus verständlichen Gründen einmal abgesehen – ist seine Familie, genauer seine Frau Deborah (Winona Ryder) und die beiden Töchter. Während er da draußen reihenweise Menschen das Lebenslicht auspustet, spielt er zu Hause den liebenden Ehemann und fürsorglichen Vater. Ein solches Doppelleben kann in diesem Geschäft auf Dauer aber natürlich nicht gut gehen. Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen und der wachsende Druck auf Richard führt zu gewalttätigen Ausbrüchen.
Wenn ein Film trotz vieler bekannter Gesichter – neben den Schauspielern oben haben auch James Franco, David Schwimmer, Stephen Dorff und Robert Davi kleine Rollen – bei uns nicht ins Kino kommt, sondern gleich auf DVD erscheint, klingeln schnell die Alarmglocken. Dass diese Sorge manchmal unbegründet ist, zeigte unlängst Arbitrage, der aus völlig unersichtlichen Gründen hierzulande das Kino übersprang. Und auch bei The Iceman ist die Entscheidung nicht ganz nachzuvollziehen. Neben der gehobenen Qualität und der Starbesetzung haben die beiden Filme aber noch mehr gemeinsam: eine schön düstere Atmosphäre. Dabei legte Regisseur Ariel Vromen bei seinem Debüt einen größeren Wert auf den Thrilleranteil und richtet sich vor allem an Fans dieses Genres. Alleine schon, Schwimmer, Dorff und Evans als richtig verkommene Mörder sehen zu dürfen, ist genug, sich den düsteren Gangsterfilm einmal anzusehen.
Doch Mittel- und Höhepunkt ist natürlich der „Eismann“ selbst: Michael Shannon beeindruckt vor allem durch seinen Wechsel vom eiskalten und distanzierten Killer zum unbeherrschten Berserker. Das sind auch die einzigen Momente, in denen er mehr über sein Innenleben preisgibt. Warum er letztendlich so ist wie er ist, was in ihm vorgibt, ob überhaupt etwas in ihm vorgeht – wir erfahren es nicht. Absolut notwendig ist das zwar nicht, aber es erschwert doch gerade zum Ende hin ziemlich den Versuch, beim Geschehen und dem Schicksal der Kuklinskis mitzufiebern.
Die Geschichte selbst ist übrigens ebenso unterkühlt wie seine Hauptfigur: Finstere Bilder, unsympathische Protagonisten, nur selten wird das muntere Meucheln durch Humor aufgelockert, und wenn dann ist dieser sehr bitterer Natur. Gerade die Szene mit James Franco gehört zu den gemeinsten und zynischsten, die dieses Genre in der letzten Zeit gesehen hat. Das sah sogar Kuklinksi so, der später zwar nicht seine Arbeit aber doch diesen speziellen Zwischenfall bereute. Denn den Auftragskiller hat es tatsächlich gegeben: Zwischen 1964 und 1986 soll der Mann mit polnisch-irischen Wurzeln in New Jersey mehr als 100 Menschen getötet haben, The Iceman beruht auf einer Biografie sowie einer Dokumentation über Kuklinksi. Einige Details, unter anderem die Namen der Familienangehörigen, wurden jedoch geändert.
The Iceman ist seit 30. August auf DVD und Blu-ray erhältlich
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