(„24/7 – The Passion Of Life“ directed by Roland Reber, 2008)
Wer sich auf Larry Clarks Ken Park einlässt, bekommt harten Tobak aus dem Leben einiger Menschen zu sehen, deren Identitätssuche früher oder später zur Entdeckung der eigenen Sexualität führt. Dabei ist Ken Park absolut kompromisslos, anstößig und eben genau das, was 24/7 – The Passion of Life von Roland Reber gerne sein möchte. So unterschiedlich diese beiden Regisseure auch sind, haben sie doch eine gewisse Gemeinsamkeit. Die in ihren Werken stets wiederkehrenden Motive – bei Clark Teenager-Sex, bei Reber Freizügigkeit als Metapher für Freiheit – hinterlassen beim Zuschauer zuweilen ein mulmiges Gefühl: Dient hier das Filmemachen noch als Ausdruck von Kreativität, oder als Ventil für die eigenen Fantasien im triebhaften Sinne? Ken Park bleibt dank gut ausgearbeiteter Charaktere, deren Entwicklung im Zuge einer stimmigen Inszenierung stets nachvollziehbar bleibt, weit von Pornographie entfernt – selbst bei der Triole im letzten Akt. Rebers 24/7 – The Passion of Life hingegen trennt von einem (Soft-)Porno stellenweise ehrlich gesagt nicht viel.
Das fängt bei der technischen Umsetzung an und hört bei der theatralischen Darstellung auf. Man erinnere sich vorweg an eine Szene aus Mein Traum oder: Die Einsamkeit ist nie allein. Da sitzt Roland Reber zwischen zwei barbusigen Frauen und freut sich seines Lebens. Dieser spontane Sketch floss als Mini-Werbespot für den Regisseur-Beruf in den Film mit ein und ist natürlich nicht ernst gemeint. Dennoch vermittelt er beim Zuschauer genau den Eindruck, der sich bei 24/7 durch den gesamten Film zieht: Hier sind Provokateure am Werk, denen es nicht an Frivolität, jedoch an Einfällen mangelt. Als Aufhänger für ihren Film wählt die Reber-Crew das Thema Einsamkeit, das als Folge des gesellschaftlichen Normierungszwangs in der düster-geheimnisvollen SM-Szene ja wohl richtig platziert sein müsste. Ein Fehlschluss, der dem Publikum aufgrund eines Tunnelblicks auf das kommerzielle SM-Studio einer von Gott und der Welt verlassenen Domina (Mira Gittner) nicht auffällt. Eben diese Frau lernt die Hauptfigur Eva (Marina Anna Eich) bei einer Motorradpanne kennen und stellt plötzlich fest, dass ihrem allzu erfüllten Leben etwas fehlt: die erotische Identität. Auf der Suche danach durchstreift sie neben besagtem SM-Studio noch Schwingerclub und Strip-Lokal. Die Filmemacher hausieren mit der Information, dass an Original-Schauplätzen und größtenteils mit Laien aus der entsprechenden Szene anstatt mit echten Schauspielern gedreht wurde, als beweise dieser Umstand ein Höchstmaß an Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Das Gegenteil ist der Fall, wenn die kreativen Köpfe hinter diesem Projekt ihre philosophischen Erkenntnisse über die Doppelmoral der Gesellschaft wie ein Etikett auf jede Szene pappen müssen. Ebenso zweifelhaft ist die Annahme, dass kameraunerfahrene Menschen gute Schauspieler sind, wenn sie nur sich selbst spielen müssen. Mira Gittner betont, dass es bei 24/7 nicht um eine dokumentarische, sondern um eine lyrische Darstellung ginge. Das entschuldigt die bühnenreifen Monologe, mit denen eine intellektuelle Annäherung an das Thema gewährleistet werden soll und die den Film letztlich davor bewahren, als ambitionierter Porno durchzugehen. Denn die schmuddelige Videoästhetik allein schafft es nicht: Das Zusammenspiel von Kamera, Licht und Ton liefert aufgrund niedrigen Produktionsbudgets ein recht amateurhaftes Ergebnis ab. Fazit: Wäre alles halb so wild, würde sich der Film dabei nicht so bierernst nehmen.
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